Auf schmalem Grat
Gefängnisszenen kennt die Oper seit ihren barocken Anfängen, während das Straflager – allen im Totalitarismus angesiedelten «Fidelio»-Inszenierungen zum Trotz – ein Phänomen und Symbol der Moderne ist: Menschen werden anonymisiert, gequält, getötet oder für ihr Leben traumatisiert. Umberto Giordanos «Siberia» ist dafür ein eher konventionelles, der Schlussakt von Dmitri Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk» ein grandios erschütterndes Beispiel.
Und Leos Janácek hat in seiner Dostojewski-Oper «Aus einem Totenhaus» die Dynamik des Massenschicksals in ein völlig neues Musiktheater-Konzept ohne zentrale Helden umgemünzt.
Sicher ist es kein Zufall, dass es sich bei den genannten Beispielen um russische Arbeitslager handelt, in denen zwar Willkür und Tod herrschten, nicht aber primär das Endziel der Menschenvernichtung. Das nationalsozialistische Konzentrationslager dagegen ist als Opernsujet immer noch ein Tabu – gewahrt durch Adornos berühmte Skepsis gegenüber der Wahrhaftigkeit von Kunst nach Auschwitz und die Gefahr einer Verharmlosung des Unvorstellbaren. Was nicht bedeutet, dass es keine Versuche gab, den Holocaust in die Oper zu holen: Nicholas Maws Oper «Sophie’s Choice» etwa ...
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Opernwelt April 2015
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Michael Struck-Schloen
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