Auf der Suche nach sich selbst
Einmal mehr hat sich Frankfurt mit Luigi Dallapiccolas «Ulisse» zum Saison-Abschluss für eine vergessene Oper der klassischen Moderne engagiert. In Deutschland war das selten gespielte, bekenntnishaft spröde Zwölftonwerk zuletzt 1980 in Oldenburg zu sehen. Bei seiner Uraufführung im Protestjahr 1968 an der Deutschen Oper Berlin wurde die eigenwillige Homer-Deutung, für den Komponisten selbst Zielpunkt und Summe seines Schaffens, als politisch obsolet abgetan.
Gewiss, Dallapiccola macht es uns nicht leicht mit seiner literarischen Umpolung der «Odyssee» und ihrer Überschreibung aus dem Geist Dantes, Freuds und Joyces. Gesellschaftlich relevant – um das Schlagwort der 68er zu übernehmen – sind die Irrfahrten des antiken Helden auf der Suche nach sich selbst aber allemal. Für Dallapiccola ist er der Prototyp des modernen, an sich selbst und dem Sinn des Lebens zweifelnden Menschen. Alle Begegnungen und Abenteuer seiner ruhelosen Lebensreise sind Projektionen seines Unterbewusstseins. Wie Busonis ähnlich spröder, gedankenbefrachteter «Doktor Faust», der ihm wohl als Vorbild diente, zieht Dallapiccola hier nicht nur die Konsequenz seines spirituell gefärbten Existenzialismus, sondern im ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Uwe Schweikert
Dieser Märzabend des Jahres 1864 stand wahrlich unter keinem günstigen Stern: Die Uraufführung von Charles Gounods Oper «Mireille» im Pariser Théâtre-Lyrique fiel durch. Angekreidet wurde dem Komponisten und seinem Textdichter Michel Carré insbesondere, dass das (auf Frédéric Mistrals provenzalisches Poem «Mirèio» zurückgehende) Sujet fürchterlich abgeschmackt sei;...
Es war Sommer in Bayreuth, es war heiß, und man wusste: Die sechsstündige «Götterdämmerung» würde wohl doch eher eine Menschendämmerung sein, oder besser: eine Menschenkörpererwei- chung durch fortwährende Schweißausbrüche. Inhaberinnen und Inhaber eines gut funktionierenden Deos mochten im Vorteil sein, ihre Ausdünstungen würden sich als weniger schlimm erweisen...
Für gewöhnlich sitzt man im Theater auf seinem Platz und harrt der Dinge, die da kommen. Flanieren geht nur in der Pause. Dass es in Susanne Kennedys Version von Philip Glass’ Oper «Einstein on the Beach» am Theater Basel anders sein wird, erfährt man schon beim Einführungsvortrag: «Das ist ein Abend, den man sich selbst baut», heißt es da. Ein Fall von immersivem...
