Schmerzenskind
Dieser Märzabend des Jahres 1864 stand wahrlich unter keinem günstigen Stern: Die Uraufführung von Charles Gounods Oper «Mireille» im Pariser Théâtre-Lyrique fiel durch. Angekreidet wurde dem Komponisten und seinem Textdichter Michel Carré insbesondere, dass das (auf Frédéric Mistrals provenzalisches Poem «Mirèio» zurückgehende) Sujet fürchterlich abgeschmackt sei; es zeige die Sphäre allzu «gewöhnlicher» Leute. Damit aber nicht genug der Einwände: Einige Passagen der Partitur trugen Gounod den Vorwurf des Wagnerisme ein.
Die Produktion des Opéra-Théâtre de Metz widerlegt solche Vorurteile rundheraus, zugleich ist sie gelungenes Plädoyer für ein viel zu selten gespieltes Werk, in dem sich provenzalische Folklore, das große Sentiment der Opéra comique und wohldosierte, durchschlagskräftige Dramatik glückhaft verbinden. Erneut beweist sich Gounod als genuiner Melodiker, dessen Erfindungen nur selten ins Banale abgleiten.
Dem regieführenden Intendanten Paul-Émile Fourny liegt sehr viel daran, die Titelfigur, Tochter eines reichen Gutspächters, als eine selbstbestimmte, sich ihrer Gefühle in hohem Maß bewusste Frau zu profilieren. Zu Beginn geschieht das eher spielerisch, wenn ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Panorama, Seite 54
von Michael Kaminski
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