Anleitung zum Selbstsein
Ein junger Mann imaginiert sich die Welt – seine Welt; mit der kalten Realität da draußen hat sie nur wenig gemein. Dafür schilt ihn seine Mutter einen Lügner. Dabei hat doch gerade sie ihm als Kind all jene Märchen erzählt, die seine Fantasie so sehr beflügelt haben. Ja, ein Kind ist dieser Mann geblieben, als viril attraktives «Big Baby» stapft er noch immer durch sein Kinderzimmer, das ihm zunächst vollends ausreicht, um sich die Räume seiner Träume von wundersamen Trollen oder der verführerischen Anitra zu bauen.
Als Verbindung nach draußen reicht ihm eine kleine Luke am Boden seiner Zimmertür, durch die ihm Mutter Åse Essen und Trinken schiebt.
Das Epos von der wild bewegten Odyssee des Peer Gynt beschreibt Angélique Clairand in ihrer hochpoetischen Inszenierung somit als eine innere Reise der Titelfigur zu sich selbst. Anouk Dell’Aiera hat ihr dazu in eine nur mit weißen Tüchern abgehängte Riesenbox Peers gebaut, als ein für uns transparentes Traumreich. Die in schlichtes Schwarzweiß getauchten Kostüme von Bruno de Lavenère bedienen darin weder norwegische Folklore noch Exotik: Das Regieteam bedarf keiner üppigen Bebilderung, es vertraut vielmehr der Einbildungskraft seines ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Panorama, Seite 38
von Peter Krause
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Des Straussen Richards Oscar-Wilde-Vertonung
Schrieb Erstgenannter kurz nach Fin de Siècle.
Sie spielt in dem Herodes seiner Wohnung,
Zur Bibelzeit, mit manchem Sex-Geschmäckle.
Herodes Tochter will kein Finger-Food!
Nein, nein, sie will den Typen aus dem Keller.
Doch der will nicht – sie krächzt vor Wut, will Blut.
Sie brüllt und sagt: «Okay, bringt einen...
Was Matthias Goernes neueste CD (aufgenommen bereits 2018) aus der Vielzahl jüngster Liedveröffentlichungen heraushebt, ist das Klavierspiel Daniil Trifonovs. Goerne hat schon immer die Partnerschaft auf Augenhöhe mit Starpianisten gesucht. Aber kaum je zuvor war das Ergebnis so überwältigend wie jetzt mit Trifonov, der einfach alles kann. Sein unvergleichlicher...
