Allzu schönes Grauen
Es hätte ein aufwühlendes Stück Musiktheater werden können: die Geschichte eines infolge einer Hirnschädigung im frühen Kindesalter geistig zurückgebliebenen Mannes, der sich, so der Titel der Fallstudie des Neurologen Oliver Sacks, als «ein wandelndes Musiklexikon» erweist. Mit dem Tod der Eltern beginnt der Abstieg des bis dato behüteten Mannes, der schließlich die Einweisung in eine psychiatrische Klinik zur Folge hat.
Allmählich findet sein Arzt heraus, dass Musik, insbesondere Wagners «Parsifal» und Bachs «Matthäus-Passion», diesen Mann «heilen» kann, dass Singen und Chorleitung schon für den jungen Autisten (Über-)Lebenselexier war. Sein Vater hatte ihm jahrelang nicht nur den «New Grove» vorgelesen, sondern auch immer wieder mit dem Jungen Schallplatten gehört, und ihm – als Mitglied der Met – aus Opern vorgesungen. Viele Gesangspartien kannte Martin daher auswendig, aber auch Namen und Straßenzüge, die er nur einmal gelesen hatte. Mit einer Apotheose auf den Text des «Magnificat» endet denn auch die fünfundsiebzigminütige Kammeroper Thomas Bartels strahlend affirmativ und opulent.
Karg dagegen der Beginn mit den Herzschlägen des Patienten, der im mit grauem ...
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Für viele Pariser Opernfreunde ist das Théâtre du Châtelet als Opernhaus interessanter als die Nationaloper mit Bastille und Palais Garnier. Zu Zeiten von Stéphane Lissner mag das richtig gewesen sein, doch seit Hugues Galls Direktorenzeiten haben Bastille und Garnier doch erheblich aufgeholt, nicht zuletzt durch einige interessante Uraufführungen, zum Beispiel ...
Das Berner Stadttheater zeigt nicht nur mehrere, sondern auch diametral entgegengesetzte Gesichter. Nach der an Peinlichkeiten reichen Produktion von Catalanis «La Wally» (OW 4/2005) in der Regie von Renata Scotto nun also Peter Eötvös’ Tschechow-Oper «Tri sestri» in einer schlichten, aber überaus luziden, eindrucksvollen Inszenierung.
Dass man mit diesem Werk ein...
Elends-Ambiente, die blanke Not gibt es weder in Freiburg noch in Mannheim. Beide «Wozzeck»-Inszenierungen, die von Markus Lobbes in Süd- wie die von Olivier Tambosi in Nordbaden, munitionieren sich nicht im sozialen Umfeld der Gestalten. Ihre Ortlosigkeit ist total. Gottfried Pilz’ Mannheimer Bühne ist ganz leer: Sand, nichts als Sand, ein Hauch von Zirkus, von...