Albtraum im Uhrwerk
Richard Straussens «Elektra» ist zwar, der monströsen Musik zum Trotz, ein kompaktes Werk; dass es aber ausgerechnet in einem Ausweichquartier zu einer seltenen Kraft und Durchdringung kommt, war so nicht zu erwarten. Der Regisseurin Nina Russi und dem Dirigenten Enrico Calesso gelingt dieses eigentlich gar nicht so kleine Musiktheaterwunder in der Theaterfabrik Blaue Halle, in der das Mainfranken Theater Würzburg derzeit Oper spielt. Wesentlichen Anteil daran hat Ausstatterin Julia Katharina Berndt, deren Bühne ein quadratisches weißes Podest im Orchestermeer ist.
In der Mitte des Spielwürfels eine weiße raumteilende Schwingtür, die längs, quer und diagonal zur schlicht getäfelten Salonwand werden kann. Sie ermöglicht zügige Auftritte und Abgänge, Lauschaktionen, Einsamkeiten, Schattenspiele. Unterm Podest ist es finster und vermüllt. Hier haust Elektra im Halbschatten und hütet Kindheitserinnerungen (Orests Dreirädchen taucht später auf ), während sich oben in Berndts eigenwilliger Variante von Jahrhundertwendekostümen ein bürgerliches Kammerspiel ereignet. Bis in die Mundwinkel der Statisterie hinein ist das ein Belauern und Aufeinanderhocken, eine Häme und eine Angst, eine Lust ...
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Opernwelt Dezember 2023
Rubrik: Panorama, Seite 43
von Judith von Sternburg
Ein «Welttheater der Liebe» hat Walter Felsenstein «Le nozze di Figaro» einmal genannt. Nur vergaß der renommierte Regisseur, einer der Pioniere des Regietheaters im deutschsprachigen Raum, zu erläutern, wie genau diese «Liebe» konfiguriert sein könnte – ob es sich dabei um eine solche handle, die in jeder Minute eine (erotische) Entscheidung sei, ob sie das...
Warten, schon während des Einlasses. Zwei ältere Frauen vorn, ins Publikum blickend, zwei jüngere hinten, abgewandt auf den Prospekt einer nächtlichen Stadt schauend. «Nach Moskau, nach Moskau!», würden sie wohl rufen, wären sie Tschechows drei Schwestern und nicht nur die beiden aus Tschaikowskys «Eugen Onegin». Doch in Roland Schwabs Inszenierung am Staatstheater...
Zweimal eine Staatstheater-«Carmen» im Abstand von 170 Kilometern Luftlinie, zwei ehrgeizige Ansätze: der eine spektakulärer, der andere näher dran. Beide Abende, so unterschiedlich sie sind, blenden das Thema Tod so weit aus, wie es möglich ist, wenn in einer Oper alles auf den Tod hinausläuft. Und weder da noch dort, das ist konsequent, wird es auch nur für einen...
