Zwischen Utopie und Archiv
Willst du in der Utopie oder Deponie leben? Diese Frage von Performerin Anna Zett in «Landscapes & Bodies» von Kötter/Israel/Limberg, das beim Kunstfest Weimar erstmalig als vollständiger Zyklus aufgeführt wird, ist durchaus eine der erkenntnisleitenden Fragen, die das Kunstfest in diesem Jahr durchziehen. Lernen wir aus der Vergangenheit, oder archivieren wir sie bloß – vielleicht sogar im Giftschrank? Bereits der Start mit «438 Tage NSU-Prozess.
Eine theatrale Spurensuche» entscheidet sich klar gegen die Deponie und holt den NSU-Komplex aus dem diskursiven Abklingbecken, um mit dem Seziermesser Theater die immer noch bohrenden Fragen um diese wenigstens teilaufgeklärte rechte Terrorserie herauszupräparieren. Der zunächst utopische Anspruch: Die Aufklärung muss weitergehen, zu vieles ist unklar und vertuscht, auch und gerade von den deutschen (Un-)Sicherheitsbehörden.
17 Tage lang wird im Friedrich-Nietzsche-Gedächtnissaal des Alten Funkhauses in Weimar jeweils einer der 13 Anschläge und Morde verhandelt. Als Material dienen Nuran David Calis und Tunçay Kulaoglu die Protokolle des NSU-Prozesses. Calis hat sich bereits in Köln in zwei Theaterproduktionen mit dem NSU-Komplex und ...
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Theater heute Oktober 2021
Rubrik: Festivals, Seite 39
von Torben Ibs
Der Dichter spricht. Kurz nach der Pause schließt sich der Vorhang im Großen Haus des Theaters Lübeck, und Heinrich Mann selbst tritt an die Rampe. Zögernd, unsicher zunächst, spricht er zum Publikum, erzählt, wie «Der Untertan» Diederich Heßlich zu Macht gelangen konnte, mittelmäßiger Schüler, Petze, Verbindungsstudent, Papierfabrikant in der Provinz. Mann erklärt...
Vucko war eine coole Socke. Das von Jože Trobec entworfene Maskottchen der Olympischen Winterspiele 1984 im damals jugoslawischen Sarajevo stellte einen Wolf dar, der bei den Fernsehübertragungen der Wettkämpfe in ohrenbetäubendes «Sarajevouuuuu»-Geheul ausbrach, nicht wirklich niedlich, aber auf interessante Weise zwiespältig, hintergründig grinsend, mit...
Wer denkt sich so etwas aus? Eine Frau, genauer eine Jungfrau, die sich freiwillig einer göttlichen Eingebung unterwirft, allen irdischen Vergnügungen – Liebe! – abschwört und damit in einem patriotischen Feldzugstaumel ihr Land rettet. Am Ende stirbt sie nach einem dann doch gefühlsbedingten Zwischentief mit Gewissensprüfung auch noch den Heldentod. Schillers...
