Zivilisation ist, wenn man trotzdem lügt
Links oben am Portal findet sich ein schönes Beispiel für Kontinuität. Ein Logo, das in seiner auffälligen Unauffälligkeit mehr für Österreich steht als Stephansdom und Mozartkugel zusammen: Die weiße Zigarette mit rotem Kreis hängt seit vielen Jahrzehnten im zeitlos neusachlichen Design an jeder der mehreren tausend übers Land verteilten Tabak-Trafiken. Das staatliche Tabakmonopol von «Austria-Tabak» hat Joseph II. anno 1792 geschaffen, und es hat die Habsburger genauso überlebt wie Hitler.
Erst die EU hat dem konkurrenzfeindlichen Treiben ein Ende gesetzt, seit der Zwangsprivatisierung 1996 gehört die «Austria Tabak» zum Gallaher-Konzern («Benson & Hedges»). Aber die alte Stammmarke «Memphis» regiert in der Alpenrepublik wie eh und je, und im Schatten des blauen Donaudunsts hat ein anderes Monopol bis heute überlebt. Denn die Tabak-Trafiken selbst werden nach wie vor staatlich vergeben, früher an Kriegsversehrte oder schlecht versorgte Witwen, heute bevorzugt an Behinderte. Und die MVG, die staatliche Monopolverwaltung zur Trafikvergabe, rühmt sich noch heute, dass an jedem vierten Tag durch die Vergabe einer Lizenz einem Menschen eine Existenz geschaffen werde. Die EU geht das ...
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Wenn Freunde und Weggefährten sich an ihn erinnern, dann sprechen sie voller Zärtlichkeit von einem Wüstling. Von einem, so klingt das manchmal, der längst verloren war, bevor sie ihn verloren haben. Der rabiat mit sich und mit anderen umsprang und dabei höchst empfindsam – und empfindlich – war.
Mit Dieter Roth, dem 1998 verstorbenen vielseitigen Künstler,...
Nicht, dass London ein verschärftes Alkoholproblem hätte. Seit die uralten englischen Lizenzgesetze letztes Jahr gelockert wurden und besonders in den Großstadtpubs der Ausschank nicht mehr gnadenlos um 23 Uhr endet, ist der einzige Unterschied, dass die Kleingruppen trunkener und taumelnder Angelsachsen nicht mehr alle wie auf Kommando auf die Straße stürmen,...
Spannungsarm lehnt der Gatte an der Küchenzeile. Die Frau hat sich in einen Wutanfall hineingesteigert, schreit «du elender Kerl» und streicht sich eine absichtsvoll drapierte Grauhaarsträhne aus dem Gesicht. Er wolle jetzt «keine kleinkarierte Rechnung aufmachen», erwidert der Gatte in stilechtem Vorabendseriendeutsch und sitzt die Sache erst mal aus. Man scheint...