Wuppertal: Wüstenhölle
Ein grölender Trupp nationalsozialistischer Kader um Hermann Göring bittet in der Hölle um Petroleum-Nachschub. Goethes Marthe Schwerdtlein serviert gebratene Engelsflügel. Mephisto flambiert die Nazis in einem Lavastrom. Ein gewisser Max Reinhardt versucht in Jerusalem, all das vor König Salomon auf die Bühne zu bringen. Und die jüdische Autorin des intertextuellen Höllentrips beschließt mitten in einem Interview, zu sterben.
Was klingt wie eine neue Revenge-Geschichtskorrektur aus der Feder Quentin Tarantinos, nur diesmal auf LSD, ist das viel zu selten gespielte Spätwerk «IchundIch» von Else-Lasker Schüler.
Mit dem Schauspiel Wuppertal wagt sich endlich wieder ein Theater an das bitterkomische, todtraurige Drama. Intendant Thomas Braus hat daraus sogar ein aufwändiges Mehrspartenprojekt inklusive Minifestival gemacht, das das drastisch unterfinanzierte, tapfer kämpfende Haus allerdings nur über Sponsorengelder stemmen und deshalb auch nur eine Woche lang zeigen kann.
Die israelische Regisseurin Dedi Baron übersetzt das fiebrige Drama in assoziative Fragmente, Loops, Untergangsbilder, verlorene Choreografien, Gebets- und Trauergesänge. Dafür hat Bühnenbildnerin Kristen ...
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Theater heute Oktober 2019
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Cornelia Fiedler
Die Marching Band marschiert. Der Trapezartistin Empress Stah glitzert ein Laserstrahl aus der Vulva. Der Stuttgarter Balletttänzer Louis Stiens macht ein paar neoklassische Figuren als glatthäutiges Objekt der Begierde. Und dann wummert der Soundtrack los, «Cut», dunkler Electroclash mit Trap-Elementen, aufgefrischt durch Bläsereinsätze. Und drängt die szenischen...
Der schmutzig kleine Bruder der auch schon nicht sehr glamourösen Möbelpackerbranche ist die Zwangsräumung. Zusammen mit einem Trupp ähnlich grauer Gestalten ist Walter Scholl in diesem Job gelandet, der sich, wie David Nawraths Debütfilm «Atlas» bald schon zeigt, seinerseits meist in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Denn hinter jeder Entmietung steckt ein...
Aufführungen
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