Berlin: Ein einziger Witz
«Ich habe dieses Buch schneller als irgendein anderes geschrieben: & es ist ein einziger Witz; & doch heiter & schnell lesbar, glaube ich; Ferien eines Schriftstellers», schrieb Virginia Woolf im März 1928 in ihr Tagebuch, kurz nachdem sie «Orlando» beendet hatte. Ein einziger Witz – diese Formulierung könnte auch Katie Mitchell in ihrer Inszenierung an der Berliner Schaubühne geleitet haben, wenngleich das viele Männer und Frauen starke Bühnenteam während der Vorstellung alles andere als Ferien hat.
Vor über zehn Jahren entwickelte Mitchell an einem anderen Woolf-Roman («The Waves») ihre Methode des auf dem Theater verfertigten Live-Films, um seither Prosa von und über Frauen zumeist sehr elegisch nachzuerzählen. Mit «Orlando» wechselt sie überraschend die Tonart und fächert seine rund 300 Jahre umspannende Biografie als kunterbunten Bilderreigen auf. Selbst den sonst strikten Verzicht auf vorproduziertes Material durchbrechen Landschaftsaufnahmen oder eingeschmuggelte Videos von schmelzenden Gletschern und Brexit-Demos.
Mit «Orlando» setzte Virginia Woolf ihrer jüngeren Freundin und Geliebten, der hochadligen Dichterin Vita Sackville-West, ein fiktiv biografisches Denkmal, in ...
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Theater heute Oktober 2019
Rubrik: Chronik, Seite 55
von Eva Behrendt
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