Woyzeck aus Dagenham

Simon Stephens über das Unbehagen an Friedensmärschen, die Seitengassen, die zum Stück führen, die Beschädigungen, die vor der Gewalt liegen, und seine Fragen an eine chaotische Welt

Patricia Benecke In «Motortown» geht es um einen Heimkehrer aus dem Irakkrieg. Um das, was der Krieg mit ihm angestellt hat. Ist das ein Antikriegsstück?

Simon Stephens Es ist nicht so sehr meine Reaktion auf den Krieg im Irak, sondern auf die Antikriegskampagne. Die besten Stücke für mich sind generell die, die nicht selbstbewusst einen Standpunkt vertreten, sondern Fragen stellen. Meine besten Stücke sind die, die ich nicht geschrieben habe, weil ich was verstanden habe, sondern weil ich was nicht verstanden habe. Das ist auch bei «Motortown» so.

Ich hatte massive Vorbehalte gegenüber dem Irakkrieg – wie jeder mit ein bisschen Hirnmasse –, aber ich konnte nicht verstehen, warum mir der Friedensmarsch so suspekt war. Ich glaube, das hatte mit meinem Eindruck zu tun, dass die Antikriegsaktivisten nur auf der Suche nach schneller Absolution waren; dass man es sich zu leicht machte, seine Hände in Unschuld zu waschen bezüglich der Dinge, die im Irak passierten. Mich hat der Slogan «No War for Oil» erbost – man kann nicht einfach «No War for Oil» in Ölfarbe auf ein Plakat malen (lacht) und mit dem Auto ins Zentrum fahren und auf den Antikriegsmarsch gehen. Wir sind Teil dieses Kriegs. ...

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Theater heute Januar 2007
Rubrik: Das Stück, Seite 44
von Patricia Benecke

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