Wolfram Lotz «Der große Marsch»

Wolfram Lotz «Der große Marsch» in Basel

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Stellen Sie sich vor, das Theater und die Erde wären kleine Punkte auf einem Luftballon in der Hand einer quietschfrechen Göre. Ballon platzt, Mädchen kreischt – der Weltuntergang wäre eine göttliche Wonne. Mit dieser Pointe beginnt die Regieassis­tentin Antje Schupp den «Großen Marsch». Das ist bemerkenswert frisch. Erstens, weil der im Schwarzwald aufgewachsene Autor Wolfram Lotz Talent hat. Zweitens, weil das Darstellerquartett herrlich unbelastet auftritt.

Drittens, weil die Regisseurin mit einem Text Ballon spielt, der eine Inszenierung auch erdrücken könnte – mit Dutzenden Figuren und einer Handlung, übersichtlich wie eine Gerölllawine. Lotz, eine unüberhörbar selbstbewusste Autorenstimme, will unmögliches Theater möglich machen. Folglich moderiert Nicole Couli­baly, Talkmasterin der Inszenierung, einen Super­shootingstar an: den Autor selbst, allerdings verkörpert und vertreten von Nils Amadeus Lange. Der Alias-Lotz entpuppt sich als fahriger Typ. Das Stück ist ihm längst entwischt, dem nächsten Talkgast in die Arme: Josef Ackermann, der Big Bad Banker, der in Basel beichtet, dass er unter der Dusche «La Traviata» trällert. Für diese Opernschwäche kanzelt ihn die ...

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Theater heute Dezember 2011
Rubrik: CHRONIK, Seite 44
von Stephan Reuter

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