Wir sind auch nicht nur Menschen

Abstimmen und Aufessen: Interrobangs «Familiodrom» und «Cannibal 4 Life» von Jan Brokof und Hannes Broecker in Berlin

Theater heute - Logo

Emilia heißt das Neugeborene, dessen Kollektiv-Co-Mutter ich gerade geworden bin. Ihr Geschlecht hat ein Zufallsgenerator bestimmt. Zuvor wurden wir, das Online-Publikum von Interrobangs theatraler Zoomkonferenz «Livestream: Familiodrom», nach der Intensität unseres Kinderwunsches und dem sozio-ökonomischen Milieu befragt, in das das potenzielle neue Leben hineinwachsen würde: bürgerliche Mitte, überwiegend weiß, und mäßig enthusiastisch, was Fortpflanzung betrifft.

Aber jetzt ist Emilia da, benannt nach dem ersten pädagogischen Bestseller, der gleich nach seinem Erscheinen 1762 verboten wurde: «Émile ou de l’Éducation». 

Immer wieder kommt die Performance auf den französisch-schweizerischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau zurück, der in seinem Werk vor allem ein Fernhalten des Beispielkindes Émile von den sozialen Rollen und Konventionen der Gesellschaft und ein möglichst «naturbelassenes» Aufwachsen auf dem Land proklamierte. Nicht ohne gewisse Widersprüche zu erwähnen, die Rousseaus Kompetenz durchaus schmälern könnten wie der Umstand, dass er die fünf Kinder, die er mit seiner Partnerin Thérèse Levasseu zeugte, allesamt direkt ins Waisenhaus gab. Werden wir als ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Februar 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 48
von Eva Behrendt

Weitere Beiträge
Vom Sehnsuchtsraum hinterm Nadelöhr

Breitbeinig steht er da, der schmalbrüstige Jüngling Woyzeck, dünn und blass und rätselhaft. Winzige Gebärden, etwa ein leicht zur Seite geneigter Kopf, zeugen von seinem Weltverlust. Steifhalsig lehnt er sich schräg nach hinten, wenn jemand zu ihm spricht. Sylvana Krappatsch kann beides glaubwürdig spielen: gestandene Frauen und junge Männer, ja sogar Kinder. In...

Von Machtmenschen und Landarbeitern

Im Winterlockdown produzieren die Theater Konserven. Nicht wie im Frühlingslockdown, als die Theater nur von alten Konserven lebten. Nun werden Vorräte für den Frühling oder Sommer angelegt. Für irgendwann, wenn es wieder losgeht mit der leiblichen Kopräsenz. Die Streaming-Premieren sind nur Geschmacksproben für später Wiederaufzuwärmendes. 

So zielt Jürgen Flimms...

«Es muss alles anders werden»

Dorothea Marcus Wie funktioniert es rein praktisch, in Corona-Zeiten in Belgien Intendant zu sein und in Köln zu wohnen?
Milo Rau Viel besser als ohne Corona in jedem Fall, weil man mehr zu Hause ist.

DM Die Familie freut sich – aber gilt das auch für das NT Gent?
Rau Unser Theater ist seit November geschlossen, wir proben nur. Die Saison beginnt Ende März, wir...