Weltfußballer
Während Krieg herrscht, geht Anne Lenk ins Fuß -ballstadion. Ihr «Amphitryon», den sie im Nürnberger Schauspielhaus auf die Bühne schickt, kommt nämlich nicht aus der Schlacht, er kommt als Profikicker aus der Tiefe des Raumes, direkt aus der Umkleidekabine, verschwitzt und abgekämpft und glücklich mit dem riesigen Pokal. Er hat gewonnen, freilich nicht gegen die Athener auf leichenübersätem Schlachtfeld: Mit der thebanischen Mannschaft hat er vielmehr Ruhm auf dem grünen Rasen erlangt. Das soll ihm Alkmene nun lohnen mit Liebesnacht und Stolz auf den siegreichen Weltfußballer.
Doch die Spielerfrau, natürlich blond und ein bisschen tumb, ist schon befriedigt, da sie sich just mit einem Mann im Bette wälzte, den sie original für ihren Gatten hielt. Ein glattes Foul im Eheleben, denn – bleiben wir ruhig weiter in der Fußballsprache – es handelte sich um ein geschicktes, freilich auch hinterhältiges Täuschungsmanöver von Gott selbst. Jupiter zog sich das Trikot mit der Nummer 10 an, das eigentlich Amphitryon sonst trägt, und drang als Double in dessen heimischen Strafraum vor und ein. Nun steht er da, der mit Glanz, Gloria und Spott bekleckerte Stürmer, betrogen und vor allem nicht ...
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Theater heute 6 2022
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Bernd Noack
Ein Gespenst geht um in der Schweiz – das Gespenst des Wilhelm Tell. Des Nationalhelden als Freiheitskämpfer, der sich mutig dem fremden Vogt entgegenstellt und dem Hut auf der Stange frech den Gruß versagt. Ein Vorbild für alle unbeugsamen Schweizerknaben, mit nur einem Nachteil: Es ist eine Mystifikation. Tell ist kein Résistance-Kämpfer, kein Rebell und schon...
Wer sich über einen Pflegenotstand wundert, der hat in den vergangenen Jahrzehnten wohl Glück gehabt und musste Krankenhäuser oder Pflegeheime nicht von innen wahrnehmen. Schon im Deutschland der Wirtschaftswunderjahre ging die volkswirtschaftliche Rechnung ziemlich gut auf, größerer Wohlstand sei nur durch immer größere Flexibilität und Arbeitsleistung zu haben....
Es war eine Art Klassentreffen des freien belarussischen Theaters, was das Festspielhaus Hellerau mit seinem Festival «Nebenan/Побач. Unabhängige Kunst aus Belarus» unter der kuratorischen Leitung von Johannes Kirsten organisiert hatte. Denn seit der brutal unterdrückten Revolution vom Herbst 2020 gegen die Wahlfälschungen von Dauerdiktator Lukaschenko befindet...
