Was kommt danach?

Sergi Belbel: «Wildfremde»

Belbels frühes Stück aus dem Jahre 1989 «In Gesellschaft von Abgrund» theatralisiert die Spanne zwischen dem Anfang und dem Ende eines Satzes als Abgrund zwischen zwei Menschen. Sein vorerst letztes Stück, «Wildfremde», uraufgeführt im September 2004 in Barcelona, schickt Vertreter zweier Generationen auf eine Zeitreise: Übergangslos beamt der Autor als «Konstrukteur von Geschichte» seine Figuren auf die nächst höhere Zeitebene und wieder zurück. Er bewahrt dabei den distanzierten Blick des Naturwissenschaftlers für den Fortgang einer Untersuchung.

Der Anfang des Stückes nimmt zugleich das Ende vorweg: Eine Wohnung wird verkauft. Schauplatz ist das bürgerliche Wohnzimmer. Die Mutter, einst Hauptakteurin auf dieser ihrer Bühne, stirbt vor der Zeit. Mit ihr geht ein Imperium zugrunde, ein Jahrhunderte altes Wertesystem. Im Angesicht des Todes zieht die Sterbende die Lügen, mit denen die Familie sich umgeben hat, ab wie Schonbezüge. Aus ihrem von Geschwüren zerfressenen Körper bricht der Hass auf den Schwiegervater, die Wut auf die unangepasste Tochter und der Ekel vor dem schwulen Sohn. Sie offenbart zu spät, was keiner hören will, verfehlte Liebe und verfehltes Leben, und klammert ...

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Theater heute Jahrbuch 2005
Rubrik: Neue Stücke der neuen Spielzeit, Seite 142
von Heike Müller-Merten

Vergriffen
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