Tänzchen mit dem Gegenwartsblues

Sterblichkeit und Lust, Krieg und Tanz: Das Festival Theaterformen in Hannover zelebriert die Fragilität des Lebens und reist an seine Grenzen

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Untold stories disappear» heißt es anfangs in der «Odisseia» der brasilia­nischen Cia Hiato: Geschichten, die nicht erzählt werden, verschwinden.

Das Programm des diesjährigen Festivals Theaterformen in Hannover war gefüllt mit solchen Erzählungen, die sich mitunter sehr subjektiv dem Vergessen entgegenstellten: In «Odisseia» erinnern sich verschiedene Performerinnen, auch ausgehend von ihren eigenen Biografien, an Männer, Väter, Geliebte, die aus ihrem Leben verschwanden, und entfesselten den vertrauten Topos des in die Ferne ziehenden Mannes und der zurückbleibenden, fortan wartenden Frau ganz neu und ganz alt, mit unerhörter innerer Freiheit und einer beeindruckenden, souveränen Bühnensprache. 

Born to die 

In «Cezary zieht in den Krieg» kann der polnische Choreograf und Regisseur Cezary Tomaszewski eine vergangene Kränkung nicht ruhen lassen – und probt den Aufstand: Mit seiner Ausmusterung beim Militär 1994 war er eigentlich ganz d’accord, nicht aber mit seiner Degradierung zu einem Mann der Kategorie E. So setzt er sich zur Wehr gegen diese institutionelle Diskriminierung – mit allen Mitteln seiner Kunst. Und in Mats Staubs Videoinstallation «Death and Birth in my life» ...

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Theater heute Oktober 2019
Rubrik: Festivals, Seite 22
von Esther Boldt

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