Stuttgart: Welche Krise?

Ödön von Horváth «Kasimir und Karoline»

Wenn Kasimir heuzutage wählen könnte, würde er vermutlich AfD wählen. Gerade arbeitslos geworden inmitten einer Wirtschaftskrise, fressen sich Selbstmitleid, Hass und Neid in seine Gedanken. Die da oben, wir da unten. Und wenn Perspektive und Möglichkeiten fehlen, ist man natürlich nicht liberal drauf. Auch nicht in Stuttgart. Wo sich zu Beginn von Stefan Puchers Insze­nierung von Ödön von Horváths «Kasimir und Karoline» dieser Mann auf dem Weg in die Radikalisierung vielsagend aus einer Uniform schält.

Der Zweite Weltkrieg steht vor der Tür, und ja, dann haben auch alle wieder Arbeit.

Aber jetzt ist erstmal Oktoberfest, und dafür macht man sich auch als armer Schlucker schick. Gegelte Haare, dünner Schnurrbart, grauer Anzug und ein Netzhemdchen darunter: Peer Oscar Musinowskis Kasimir ist ein schmaler Kerl mit viel Stolz und noch mehr Wut. Einer, der nicht weiß, wohin mit seinem Wollen. Der seine Männlichkeit gern unter Beweis stellen würde so wie der kantige Merkl Franz (Felix Mühlen), aber vor dessen Grobheit – der Franz schlägt schon sehr gerne seine Erna (Sandra Gerling) – zurückschreckt.

Kasimirs Weltuntergang ist der Jobverlust. Nun glaubt er sich all dessen beraubt, was ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Juli 2017
Rubrik: Chronik, Seite 64
von Kristin Becker

Weitere Beiträge
Vorschau - Impressum

In Hamburg war eine Neuausrichtung von Theater der Welt zu erleben, in Wien eine Neuorientierung der Wiener Festwochen. Florian Malzacher kuratiert ein letztes Mal Impulse, und die Theaterformen melden sich in diesem Jahr aus Hannover: Festivalzeit!

Maria Milisavljevics «Beben» ist ein doppelbödiges Spiel mit verschiedenen Realitäten. Beziehungsweise der Frage,...

Basel: Drei Meilen hinter Weihnachten

Zwei Stücke hat Philipp Löhle bereits geschrieben, in denen er uns die normative Sozialisation eines Sohnes und einer Tochter vor Augen führte. In «Du (Normen)» und «Du (Norma)» war man Zeuge artspezifischer Lebensläufe und bis zur Kenntlichkeit entstellter Familienstrukturen. Um Familie geht es auch jetzt. Wir sehen: einen Vater, eine Mutter, den Sohn, die...

Der Staat regiert

1) In welchem politischen Kontext steht die Angelegenheit?
Einer der Hauptoppositionellen im gegenwärtigen Russland und der einzige Mensch, der Wladimir Putin theoretisch in den bevorstehenden Wahlen Konkurrenz machen könnte, Alexei Anatoljewitsch Nawalny, führt gerade einen Kreuzzug gegen Korruption, genau die, die in den höheren Rängen der Mächtigen Russlands...