St. Pölten: Degenerierte Muppet-Show

Elfriede Jelinek «Am Königsweg»

Theater heute - Logo

Die Elfriede-Jelinek-Puppe, die Nikolaus Habjan 2013 für Matthias Hartmanns Inszenierung von «Schatten (Eurydike sagt)» im Wiener Akademietheater gebaut hat, kam seither immer wieder zum Einsatz. Stellvertretend für die Autorin nahm sie einen Nestroy-Preis entgegen, und erst kürzlich rief die Klappmaulpuppe mit den hochtoupierten roten Haaren auf YouTube zu regierungskritischen Demonstrationen auf. Derzeit ist sie am Landestheater Niederösterreich im Einsatz, wo Habjan die österreichische Erstaufführung von Jelineks «Am Königsweg» inszeniert hat.

Weil die Autorin in dem Stück als «blinde Seherin» auftritt, werden der Puppe in einer gruseligen Szene fein säuberlich die Augen aus den Höhlen operiert.

Am Ende der Aufführung sind sogar drei Jelinek-Puppen auf der Bühne. Die Autorin ist in St. Pölten aber auch als Stimme präsent; sie hat für die Inszenierung verschiedene Passagen ihres Textes eingelesen. Mal spricht die in seidene Morgenmäntel gehüllte Jelinek-Puppe also mit der Originalstimme, mal übernimmt die Puppenspielerin Manuela Linshalm das Reden. An manchen Stellen kommt es auch zu einem Dialog der beiden Jelineks; in diesen Momenten wird schön anschaulich, wie schwer zu ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Mai 2019
Rubrik: Chronik, Seite 69
von Wolfgang Kralicek

Weitere Beiträge
Im Prozess der Sprache

Corinne Orlowski Wie sind Sie mit Schleef in Berührung gekommen?

Ulrich Rasche Ich habe viele Inszenierungen von Schleef gesehen: «Wessis in Weimar» am Berliner Ensemble, «Salome» in Düsseldorf, das «Sportstück» und «Verratenes Volk» in Berlin; aber auch die anderen Inszenierungen kenne ich aus dem Archiv über Susan Todd. Und ich habe Schleef einmal persönlich...

Gegen die Wand

Es gibt wenige zeitgenössische Texte, deren Theatertauglichkeit so wenig augenfällig ist wie Maggie Nelsons «Bluets»: ein schmaler, 2009 erschienener Band, der auf 100 Seiten 240 Prosaminiaturen versammelt, die man als Liebeserklärung an die Farbe Blau lesen kann, mal zögernd, mal drängend, immer mäandernd, tastend. Ein schöner, kluger, streckenweise brüllend...

Die Scharteke lebt

Friedrich Schiller hat sein eigenes Stück in der Luft zerrissen. In seiner Selbstrezension schon kurz nach der Uraufführung 1781 in Mannheim wird die dramatische Konstruktion mitleidlos zerrupft. Die Figuren seien nicht «nach der Natur» gezeichnet, sondern nach den Lektüren des Verfassers. Er habe die Menschen «überhüpft», monströs einseitige Charaktere entworfen...