Sprechstunden im Panton-Style

Wie man in Talkshows zusammensitzt. Ein Rundgang durch die deutsche Fernsehgeschichte von Klaudia Brunst

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tür auf / einer raus / einer rein / zweiter sein», heißt es bei Ernst Jandl. «tür auf / einer raus / einer rein / nächster sein // tür auf / einer raus / selber rein / tagherrdoktor». In Deutschlands erfolgreichster Talkshow ist es genau umgekehrt: Vier- bis fünfmal pro Sendung geht in der «Johannes B. Kerner Show» die Tür auf, ein Gast kommt herein, plaudert mit dem Moderator – geht nach seinem Dialog aber verblüffenderweise nicht von der Bühne ab.

Vielmehr rückt der frisch verarztete JBK-Gast lediglich in der Stuhlreihe um einen Sessel auf, um so dem nächsten Talk-Patienten Platz zu machen.

 

Dass die Prominenten in der «Johannes B. Kerner Show» sich nach ihrem Auftritt nicht verabschieden dürfen, sondern stumm und geduldig auf das Ende der Sendung warten müssen, sieht für US-Augen aus wie eine peinliche inszenatorische Panne. In Wahrheit ist das seltsame «Wartezimmer»-Ritual aber ein wichtiges Zugeständnis an angestammte deutsche Sehgewohnheiten: Anders als in den USA, dem Mutterland der Talkshow, ist es im deutschen Fernsehen nämlich von jeher Tradition, nicht nacheinander, sondern miteinander zu talken. Die Bühnenbauten der erfolgreichen Talkformate imitieren deshalb ...

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Theater heute August/September 2005
Rubrik: Medien/TV, Seite 86
von Klaudia Brunst

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