Sonnenaufgang hinterm Schuldenberg
An diesem Münchner Winterabend herrscht längst Nacht, als nach neuneinhalb Theaterstunden die Sonne aufgeht. Eben haben Maja Beckmann, Majd Feddah, Gro Swantje Kohlhof, Wiebke Mollenhauer, Peter Brombacher (dessen Rolle mittlerweile Jochen Noch übernommen hat) und Benjamin Radjapour auf Kothurnen und Kunstrasen Fußball gespielt, was eher nach paralympischem Tanztheater aussah als nach einem Satyrspiel.
Dann legen sich Komponist Jonas Holle und Schlagzeuger Matze Pröllochs noch einmal richtig ins Zeug mit einem sich langsam steigernden, hymnischen Sound, während die Bühnentechnik in Zeitlupe einen aus gelben Rechtecken zusammengesetzten, großen Kreis in die Höhe zieht. Gemessen am realen Himmelskörper eine lächerliche, geradezu bescheuerte Sonne. Und doch lächelt das Publikum angesichts dieses Olafur-Eliasson-inspirierten, ganz und gar künstlichen Naturschauspiels verzückt, wischt sich Tränen aus den Augen oder macht Handyfotos wie auf einem Popkonzert.
Was Nils Kahnwald ganz am Anfang von Christopher Rüpings Theatermarathon «Dionysos Stadt» in einer Zukunftsvision versprochen hat, ist eingetreten: Nachdem die Welt kollabiert und untergegangen war, haben neben den Kakerlaken und ...
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Theater heute Mai 2019
Rubrik: Theatertreffen Berlin, Seite 38
von Eva Behrendt
Zu den skurrileren Bräuchen im deutschsprachigen Theater gehört die Auszeichnung des «bedeutendsten und würdigsten» Schauspielers durch den Iffland-Ring. Diesen Ring, der einst dem Schauspieler, Theaterdirektor und Goethe/Schiller-Zeitgenossen August Wilhelm Iffland gehörte, besitzen seine Träger bis zu ihrem Tod, wobei sie ihn nicht mit ins Grab nehmen, sondern...
Jo Fabian hat eine Mission: Jeder Zuschauer soll das aus dem Abend ziehen, was er oder sie für richtig hält. Im Gegenzug legt er seine Inszenierungen so an, dass sie möglichst wenig linear erzählt und dafür umso stärker als Assoziationsfeuerwerk daherkommen. Auch in «Nirvana», nach «Terra In Cognita» die zweite Stückentwicklung als Schauspieldirektor in Cottbus,...
«Sex». So hat Anne Imhof die Schau genannt, die sie für das Performance-Festival der Tate Modern an Londons Themse-Ufer entworfen hat. Weil sie Einsilber mag, die weite Assoziationsräume öffnen. Wer ihre dreiteilige «Oper» namens «Angst» von 2016 kennt oder 2017 auf der Biennale in Venedig den «Faust» im deutschen Pavillon besucht hat (für den sie den «Goldenen...
