Ohne Frauen ist kein Staat zu machen

Die dokumentarische Performance «Seid doch laut» spürt in der historischen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der Frauenbewegung und ihrer Rolle 1989 nach

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Die Seele ist verletzbar. Das habe ich erfahren», gesteht die Schauspielerin dem Publikum, das über die Raumbühne verteilt auf Stühlen sitzt. «Stellen Sie sich vor, Sie haben keine einzige Schublade, in die Sie Ihre Notizen legen können. Jeder Raum ist vom Geheimdienst vermessen, jedes Wort kann mitgeschnitten werden. Jede intime Handlung wird belauscht.» 

Im schlicht ausgestatteten Veranstaltungssaal, den das dokumentarische Theaterstück site-spezifisch als Bühne nutzt, fanden früher auch Dienstkonferenzen und Empfänge für ausländische Delegationen statt.

Mit seinen hohen Fenstern, dem Treppenhaus mit riesigem Kaskadenleuchter setzt sich das «Haus 22» vom übrigen Plattenbaukomplex mit seinen unzähligen Büroeinheiten schon architektonisch deutlich ab: Bis zu 7000 hauptamtliche Mitarbeiter:innen waren in der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Lichtenberg zu DDR-Zeiten beschäftigt. Dass die Gebäude heute einen «Campus für Demokratie» beheimaten und die systematische Überwachung und Unterdrückung der DDR-Bevölkerung dokumentieren können, ist dem Engagement der Bürger:innen zu verdanken, die am 15. Januar 1990 das abgeriegelte Gelände der Geheimpolizei ...

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Theater heute Februar 2023
Rubrik: Magazin, Seite 68
von Anja Quickert

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