Mörderisch stark, tödlich verletzt
Draußen vor der Tür versteigert der fast schon gewesene Intendant die Resterampe: Rutschen, Pappmachéwolken, -panzer, -brote, rote Pfeile mit Glühbirnchen, Zebrapuffs von Pollesch. Drinnen weint seine Protagonistin. Aber erst kassiert sie: 1 Euro pro Zuschauer, der dafür 60 Sekunden lang Wiebke Puls und das große Haus des Deutschen Schauspielhauses Hamburg ganz für sich allein hat.
Der rote Samtvorhang öffnet sich feierlich. Da steht sie, auf der riesigen schwarzen Bühne, und hat sich schön gemacht: ein langes schwarzes Paillettenkleid, die blonden Haare frisch toupiert. Und weint.
Sehr still, als horche sie nach innen. Ein Schluchzer, und, nach 40 Sekunden, tatsächlich eine Träne, die langsam über die linke Wange rollt. Das mitgelieferte Fernglas in Anschlag zu bringen, wagt man nicht. Das Tempo-Taschentuch braucht man nicht – der Emotionsvorgang ist doch eher ein Denkvorgang: über den Voyeurismus im Parkett, die Selbstausbeutung von Schauspielern, die Produktion von Emotion: «Money makes me cry» steht immerhin über der Performance, die sich Jan Bosse ausgedacht hat. Oder sind die Tränen sogar echt? Dieser Tag ist eine Zäsur für Wiebke Puls, der letzte in fünf Jahren, die ihr ...
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Theater heute Jahrbuch 2005
Rubrik: Schauspieler des Jahres, Seite 72
von Barbara Burckhardt
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