Mit vollem Ernst albern
Ein junger Mann kommt auf die Bühne, die leer geräumt ist bis auf ein Klavier. Ein Probenraum, in dem (noch) niemand zu wissen scheint, wohin die Reise geht. Und auch der Mann, der die Bühne durchquert und umrundet, als ließe der Ort sich so besser verstehen, sieht wie ein Suchender aus in seinen Alltagskleidern und mit dem Reclamheftchen als Navigationshilfe in der Hand. Tastend, fragend, den eigenen Worten hinterher lauschend spricht er die Zueignung, mit der «Faust I» beginnt, Goethes wehe Elegie, mit der er 1797 die Arbeit am Fauststoff wieder aufnimmt.
Die nun folgende Dreiviertelstunde von «Faust I» wird Sebastian Rudolph in einem grandiosen monologischen Alleingang meistern – den «Prolog auf dem Theater» mit Feuer und Pathos, das «Vorspiel im Himmel» als wirbelnde Sesamstraße mit senilem Gott im Hintergrund, die «Nacht» und das Folgende schon wieder nüchtern, genervt, den Versen samt ihrem zu Ohrwürmern geronnenen Bildungsgut denkend widerstehend. Wie Rudolph es schafft, all diese Bälle leicht und spielerisch in der Luft zu halten – die verschiedenen Stile, verschiedenen Rollen und eine hochkomplexe, dabei sehr direkt und verständlich gesprochene Sprache – und wie er dabei ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Die Spieler des Jahres, Seite 80
von Eva Behrendt
Die Ukraine «ist ein Land, das nicht mal eine Krise erlebt, sondern einen Untergang», sagte der Schriftsteller Jurij Andruchowytsch während der EURO 2012 in seiner Heimat. Nach dem Scheitern der orangenen Revolution haben sich viele Bürger enttäuscht von der Politik verabschiedet. «Heiden» spielt in Odessa und erzählt vom Leben in der inneren Emigration. Die im...
Es ist riskant, als Regisseur über Schauspieler zu schreiben, mit denen man gerne weiter arbeiten möchte. Das soll schon zu Trennungen geführt haben. Andererseits ist die Gefahr groß, dass das Geschriebene leicht austauschbar wirkt, so wie jeder noch so persönlich gemeinte Liebesbrief letztlich verwechselbar klingt. Und einem Menschen wie Jana Schulz, der sich in...
David Mamet sorgte 2008 mit einem Artikel, den er unter dem etwas reißerischen Titel «Why I Am No Longer a Brain-Dead-Liberal» im New Yorker Magazin «The Village Voice» veröffentlichte, für Furore. Er sagte sich darin von der idealistischen Linken los, für die er sich ein Leben lang eingesetzt hatte, und machte sich für die Argumente der Vertreter des neoliberalen...