Liebe und Nachbarschaft

Lutz Hübner «Geisterfahrer»

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Es war einmal die Paradedisziplin von Botho Strauß: Paare in ihren nicht mehr ganz frischen Jahren, anmutig überkreuz oder nebeneinander verzwirbelt im Beziehungsdickicht der bundesdeutschen Achtziger. Saturierte Selbstbeobachter schlugen ihre vielfach gebrochenen Spiegelkabinette auf, sorgsam arrangiert vor tragisch mythischen Abgründen. Die Stücke entfalteten kalkulierte Undurchschaubarkeit wie jeder Bauchnabel, der bei längerer Betrachtung einen schwindelnden Ichwirbel auslöst.

Das Genre galt irrtümlich als ausgereizt.

Denn Lutz Hübner hat erneut einige mittelalte, mittelwohlständige Ehepaare aus dem mittleren deutschen Irgendwo auf die Gegenfahrbahn ihrer Alltagsexistenz geschickt. Die kollisions-gefährdeten «Geisterfahrer» bewohnen eine komfortable Dreiparteien-Gemeinschaftswohnanlage und entfalten nachbarschaftlichen Kontakt, genauer: Die beiden alteingesessenen Paare nehmen ein neu dazu gezogenes in ihre grausam herzliche Umarmung. 

Dabei durchläuft das Zwischenmenschliche verschiedene katastrophale Phasen des Kennenlernens. Vom verspannt freundlichen Beschnuppern zu mehr oder weniger freundschaftlichen Offenbarungen, die beim jeweiligen Mitmenschen lange festsitzende Probleme ...

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Theater heute November 2008
Rubrik: Chronik, Seite 49
von Franz Wille

Vergriffen
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