Materialermüdung

nach Visconti «Der Fall der Götter»

Das Düsseldorfer Schauspielhaus steht im Schatten des Thyssen-Hochhauses; Fritz Thyssen war einer der frühen Sponsoren der nationalsozialistischen Bewegung. Und die Firma Krupp im benachbarten Essen baute die Kanonen, die der Führer brauchte, um den Weltkrieg zu entfesseln.

Die Regisseurin Karin Henkel fasste also buchstäblich ein heißes Eisen an, als sie das Filmskript «Die Verdammten» des Italieners Luchino Visconti für die Düsseldorfer Bühne adaptierte: Denn der Meisterregisseur dokumentiert hier, sehr verfremdet, Aufstieg und vor allem Fall der Krupp-Dynastie im Bann des NS-Regimes. Das Hakenkreuzzeichen auf der Bühne ist längst inflationär, aber die inzwischen vereinigten Firmen Thyssen/Krupp haben eine konkrete Geschichte und virulente Bedeutung für die Region. Der Rüstungsindustrie geht es auch heutzutage gut, wie der Leser der Wirtschaftsblätter weiß. Einige interessierte Herren im Parkett würden also darauf achten, ob die Regisseurin denn auch Viscontis stupendem Ästhetizismus und seinen delikaten Filmbildern gehörig nacheiferte. Dass sie das nicht tat, ja dass ihre formalen Mittel denen des Starregisseurs und seines vierzig Jahre alten Films krass widersprachen, ist ...

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Theater heute November 2008
Rubrik: Chronik, Seite 48
von Martin Krumbholz

Vergriffen
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