Kreativkatastrophen und andere Höhepunkte
Was für großartige Gestrigkeiten: Elf bieder-korrekte Anzugmänner und Kostümfrauen, ganz Schlips und Bügelfalte mit grauem Hut, tauchen aus den Tiefen der 60er Jahre, weit entfernt von jeder Eleganz, Uniformträger einer untergegangenen Angestelltenkultur aus dem Geist der Vollbeschäftigung, als noch kein Mensch übertrieben originell oder kreativ sein wollte, sondern mit ordentlich stupiden Tätigkeiten in soliden Nine-to-five-Jobs ihre liebenswert spießigen Familien versorgten. Der Begriff Mainstream war noch nicht so geläufig, man hätte sich jedenfalls nichts Böses dabei gedacht.
Aus ihren Mündern pladdert ein dauerndes Gemurmel, zwar angestrengt ausdrucksbemüht, aber trotzdem nicht der Rede wert, nicht einmal der simpelsten Hauptsätze. Helmut Kohl ist später damit Kanzler geworden. An ihren Gliedern zerrt schon der Besonderungs-Drang, ein Rucken und Zucken, Recken und Strecken aus dem schlipsumschnürten Durchschnitts-Innersten, aber weit kommen sie damit noch nicht. Es reißt sie gelegentlich von den Füßen oder schleudert sie in den Bühnengraben, einzelne rebellierende Arme, Beine, Gesichter werden aber schnell wieder einfangen, glattgefaltet, einsortiert. In ihren Ohren dröhnt das ...
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Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Das Theater mit der Kreativität, Seite 24
von Franz Wille
DC Moore führt uns in «Afghanistan» in eine «entfernte Gegend» und ins Herz der Finsternis – in einen der Kriege unserer Zeit. An einen Ort, von dem wir nichts wissen wollen. Dabei kämpfen nicht nur in Afghanistan schon lange auch deutsche Soldaten für «Enduring Freedom» – ohne dass die zu Befreienden groß gefragt worden wären – und gegen einen oft recht vage...
Jacqueline Bolton Die Inszenierung Sebastian Nüblings, die im September 2011 in Tallinn zur Uraufführung kam, anschließend in München und im Mai 2012 in London zu sehen war, unterscheidet sich beträchtlich von dem Text, den Sie zur Veröffentlichung autorisiert haben. Was ist der Grund dafür?
Simon Stephens Mein Text war nur der Ausgangspunkt dieser sehr speziellen...
Die Kinder der Perestroika sind Moltschanows Protagonisten. Junge Russen, die ein existenzielles Bedürfnis verspüren, ihre Gedanken und Gefühle einer Welt entgegenzuknallen, die täglich roher und zugleich komplexer wird, die ihnen mehr und mehr entgleitet und sie permanent überfordert. Als im März dieses Jahres Putin zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt wurde,...