Keine Annäherung

Lena Christ / Annette Paulmann «Fünf bis sechs Semmeln und eine kalte Wurst» (U), Kamile Gudmonaite «Xàra – Zuhause. Eine musikalisch-tänzerische Gratwanderung» (U) an den Münchner Kammerspielen

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Zwei Kindheiten spiegeln sich ineinander – über Zeit und Entfernung hinweg –, treffen sich in Erlebnissen von teilweise heftiger Gewalt, werden jeweils zum Resonanzraum der anderen und dabei auch ein Stück weit transparent in ihrem historischen und sozialpsychologischen Kontext. Wenn das gelingt, kann dabei etwas aufgehen, ein lebendiger Widerstandsgeist, ein Gefühl der Solidarität zwischen Generationen, das sich bis in die Köpfe der Betrachter hinein fortsetzt.

Auf Vorschlag der Dramaturgin Viola Hasselberg hat sich die Schauspielerin Annette Paulmann für ihre erste Eigenregie im Werkraum der Münchner Kammerspiele mit den autofiktio -nalen «Erinnerungen einer Überflüssigen» der bayerischen Dichterin Lena Christ (1881–1920) angenommen. Die für damalige Verhältnisse ungewöhnlich offene Schilderung einer von harter Arbeit, physischer und psychischer Gewalt bestimmten Jugend und vor allem die lieblose, ja hasserfüllte Brutalität der Mutter gegenüber der Tochter, die gut in der Schule ist und schreiben will, erschüttern noch heute.

Und erinnerten Annette Paulmann mehr und mehr an ihre eigene, lange Zeit problematische Mutterbeziehung. Aus dieser Konstellation heraus – sowohl Lena ...

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Theater heute Dezember 2023
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Silvia Stammen

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