Keimzelle Keller

Rita Thiele über Händl Klaus «GABE/GIFT. Stück für Musik»

Kleine Geschenke erhalten die Freund­schaft, sagt der Volksmund, was aber auch als subtiler Hinweis darauf verstanden werden kann, dass Geben und Nehmen kompliziert sind, denn zur Gabe gehört die angemessene Erwiderung: Genügt ein Lächeln? Muss mein Gegengeschenk den Wert des ersten womöglich übersteigen? Verpflichtet es mich vielleicht sogar ein Leben lang?

Hier sind giftige Ingredienzen vergraben, die die englische Übersetzung des Wortes Gabe buchstäblich wiedergibt.

Am unheilvollsten hat sich den Trojanern das Geschenk der Danaer erwiesen, das hölzerne Pferd, das in sich, unsichtbar verborgen, eine tödliche Ladung transportierte. Im neuen Stück von Händl Klaus finden sich einige solcher Danaergeschenke: die Einrichtung eines Erfrischungsraumes, der sich als Todeszone entpuppt, ein frisch bezogenes Bett, in dem möglicherweise Inzest stattgefunden hat, die Einladung zu einer intimen Waschung, der ein Mord vorausgehen soll, eine Schatzkarte, die in den Tod führt. Man kann aber auch das gesamte Stück als eine Gabe betrachten, die mit vielen scheinbar harmlosen Verpackungen ummantelt ist, die beim Abtragen nach und nach einen unheimlichen, gespenstischen Kern offenbaren.

Erfrischungs ...

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Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Die neuen Stücke der Spielzeit, Seite 146
von Rita Thiele

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