Jugend im Schnelldurchlauf

Hendrik Bolz «Nullerjahre» (U) im Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin

Theater heute - Logo

Gewalt ist doch eine Lösung. Für Hendrik, Tino, Pavel und die anderen. Für die Jugendlichen, die in Stralsund im von Plattenbauten dominierten Stadtteil Knieper West großwerden. In den Überresten der DDR. In den so genannten Nullerjahren. «Nullerjahre», so heißt das Buch, das Hendrik Bolz über sein Aufwachsen geschrieben hat. Ein «Debütroman» wird es manchmal genannt.

Bolz, vor allem bekannt als «Testo» und Teil der Hip-Hop-Band «Zugezogen Maskulin» schreibt darin mit hartem Beat und hohem Tempo von verlassenen Häuserschluchten, frei kreisendem Testosteron, vom Recht des Stärkeren, von Rassismus, Hass und von Gewalt als Lösung – und als Überlebensstrategie. Es ist ein schonungsloser Roman, eben weil es kein Roman ist, auch keine Autobiografie – aber alles, was der Autor beschreibt, soll so passiert sein.

Die Triggerwarnung, die die Regisseurin Nina Gühlstorff ihrer Inszenierung voranstellt, ist tatsächlich berechtigt. «Sie haben jetzt noch die Möglichkeit zu gehen», beendet der Darsteller seine warnende Vorrede. «Jetzt nicht mehr», grätscht ihm ein anderer fies grinsend ins Wort. Klar: Hier lässt keine:r dem oder der andere:n den Vortritt. Hier klingt jedes Wort wie eine Drohung, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute 4 2023
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Katrin Ullmann

Weitere Beiträge
Graue Gastlichkeit

Das sieht alles sehr grau aus: Die Gegenstände, die akkurat geordnet an der Wand kleben – alle grau übermalt. Die Lampen, die Teddies, die Tassen, die Teller, die Telefone. Auch die drei Frauen: graue Haare, graue Kleider. Eine (Elmira Bahrami) leiert zunächst ihre Sätze, das betont das graue Einerlei noch. Eine andere (besonders überzeugend: Vera Flück) begleitet...

Maria Lazar: Die Eingeborenen von Maria Blut

In dem schönen Ort Maria Blut
werden alle Schmerzen wieder gut,
bringst der Gottesmutter nur aus Wachs die Hand
und dann brauchst kein Medizin und kein Verband,
Medizin und Verband viel Geld dir kosten tät,
sie aber machts für ein Gebet.

 

FIGUREN
(Besetzung der Uraufführung der Bühnenfassung im Wiener Akademietheater)
Stimme der Erzählerin (Stefanie Dvorak)
Doktor...

Keine Bühne für Täter

Er ist quasi der Täter der Herzen in der an Femiziden nicht armen Dramengeschichte: Georg Büchners Woyzeck. Wir lernen ihn als Opfer der (Klassen-)Gesellschaft kennen und, wenn auch widerwillig, verstehen. Er ist und bleibt in den meisten Inszenierungen die Identifikationsfigur. Seine Verlobte Marie, die er ermordet, bekommt gerade mal etwas Mitleid. Woyzeck – und...