Heidelberg: Geheimdienstmagie
Dieser Blick, überlegen, lauernd, unheimlich – dass der Kerl im Seidenanzug beruflich irgendwas mit schwarzer Magie macht, glaubt man sofort. Tartini heißt der zwielichtige Zampano aus Thomas Arzts neuem Stück «Die Anschläge von nächster Woche». Dominik Lindhorst-Apfelthaler spielt ihn in der Heidelberger Uraufführung mit einer Spur von Wahnsinn in den immer etwas zu weit geöffneten blauen Augen. Alles Unheimliche verfliegt allerdings, sobald Tartini seine Magie-Show beginnt. Er zieht dafür eine pseudovenezianische Maske über, die den unheimlichen Blick verbirgt.
Tartini beschwört in seinen obskuren Shows die tief verwurzelten Ängste des Publikums und er lässt daraus dunkelschillernde Blumen und Ranken wachsen. Er tritt in Paris auf, in Brüssel, in Nizza, in Berlin – und jedes Mal wird zeitgleich ein Terroranschlag verübt. Das fällt auf, doch ins Visier des Verfassungsschutzes gerät nicht etwa Tartini, der ist nicht aktenkundig, sondern dessen Beleuchter Armin, Martin Wißner als stoffeliger Normalo und eigentliche Hauptfigur.
Gespielt wird in der Inszenierung von Brit Bartkowiak zäh psychologisch und abbildungsfroh. Wenn Armins Freundin Eva, Maria Magdalena Wardzinska in der schwer ...
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Theater heute April 2018
Rubrik: Chronik, Seite 56
von Cornelia Fiedler
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