Wir Egomonster

In Hamburg inszeniert Frank Castorf am Schauspielhaus drei Dramen von Eugen O’Neill, gekreuzt mit Rimbaud und Max Stirner, am Thalia Theater spannt Jette Steckel Shakespeares «Sturm» mit Alben von Kate Tempest und Leonard Cohen zusammen

Theater heute - Logo

Die U-Bahn ist der neue Underground. Jedenfalls in den jüngsten Bühnenbildern des serbischen Szenografen Alek­sandar Denic, der Frank Castorf schon für sein Jahrhunderte überspannendes «Faust»-Paris den Eingang der Metrostation «Stalingrad» nachgebaut hat. Diesmal geht es auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses unterhalb eines riesigen «Camel»-Billboards in die New Yorker Subway. Unten fährt jedoch kein Zug ab; hier wird den Besitzenden ordentlich eingeheizt.

In einer der merkwürdigsten Szenen dieser gleich drei Dramen von Eugene O’Neill umfassenden Inszenierung schippt Lilith Stangenbergs Mildred, die schneeweiße «rrrich bitch» vom Oberdeck, zwecks authentischer Einfühlung ins Proletariat in einem Dampfschiff-Kesselraum Kohle – und zwar splitternackt. Obwohl sie schon vorher nur einen glitzernden Tanga-Bikini trug, ist ihr anscheinend so warm geworden, dass sie sich lieber ganz auszieht.

Wir befinden uns kurz vor der Pause des fünfstündigen Abends nicht etwa in einem Experimental-Porno der 1970er Jahre, sondern im zweiten Drama aus der expressionistischen Phase des amerikanischen Tragödiendichters. «Der haarige Affe» (1922) spielt zu einem beträchtlichen Teil im Bauch eines ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute April 2018
Rubrik: Aufführungen, Seite 12
von Eva Behrendt

Weitere Beiträge
Niemandes Geschöpf

Was für ein Trip! In den gut zweieinhalb Stunden, die die Performance «Nächstes Jahr in Tskaltubo» im Berliner Theaterdiscounter dauert, haben die Regisseurin und Schauspielerin Eva Löbau, der Videokünstler Philipp Haupt sowie ihre zwei georgischen Gastspielerinnen das Publikum nicht nur mit Videobildern, Fundstücken, Interviewschnipseln, Gästebucheinträgen,...

Vorschau - Impressum (4 2018)

Pläne der Redaktion


Elfriede Jelineks «Am Königsweg»
verbindet mit einer Doppel-Nomi­nierung die jähr­lichen Best-of-Treffenin Berlin und Mülheim: die Erwählten im Überblick, Porträts, Gespräche und Gegenstimmen

Comedy-Queen Idil Baydar erklärt in Falk Richters Hamburger «Königsweg»-Inszenierung als selbsternannte «Problem-Ausländerin» und «Konzept-Migrantin»...

Zwiespältige Zeugenschaft

Übertriebene Sentimentalität kann man der Großmutter, bei der die Zwillinge aus Agota Kristofs Roman «Das große Heft» die Kriegsjahre überdauern, wahrlich nicht vorwerfen. Die Alte – im Ort schlicht «die Hexe» genannt – pflegt grausame Lebenseinsichten grundsätzlich unter genüssli­chem Hohngelächter zu äußern, je nach Anlass gern auch mit begleitendem...