Gewalt und Erfahrung
Sie warnte vor Putin – und musste ins Gefängnis», titelte Ende April die Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel». Gemeint war die US-amerikanische Whistleblowerin Reality Winner, die im Mai 2017 einen fünfseitigen Geheimbericht der NSA über die Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf 2016 leakte – während sich Donald Trump, damals Präsident der Vereinigten Staaten, noch größte Mühe gab, diese Tatsache mit dem ihm eigenen Charme zu verschleiern: «Es ist sehr schwer zu sagen, wer gehackt hat.
Könnte Russland sein, könnte China sein, könnten viele andere Gruppen sein.»
Am 65. Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine ist die Wahl dieser Überschrift journalistisch natürlich fragwürdig. Sie überblendet absichtsvoll die geopolitischen Zusammenhänge und zielt auf die reflexhafte Empörung der Leser:innen. Die Absurdität von Reality Winners Geschichte bringt der Titel dagegen ziemlich gut auf den Punkt. Allein in Trumps erstem Amtsjahr stieg die Zahl der Ermittlungen wegen geleakter Geheimdienstinformationen von 37 auf 120 an, und die damals 25-Jährige wurde zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt, dem höchsten Strafmaß für eine zivile Whistleblowerin in der ...
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Theater heute 6 2022
Rubrik: Festivals, Seite 46
von Anja Quickert
Die Holländische Straße in Kassel ist nicht unbedingt das, was man eine schicke Flaniermeile nennen würde. Prosaische Nachkriegsarchitektur dominiert, die vorherrschende Farbe ist mattes Grau, Geschäfte und Wohnhäuser reihen sich schmucklos aneinander. Eine typische Ausfallschneise eben, ohne Flair, ohne Charme.
Im April 2006 erlangte diese Straße traurige...
Will ein Theater heute Stücke zum Thema Krieg auf den Spielplan setzen, bieten sich zwei Dramen ganz besonders an. Einerseits die antike Tragödie «Die Troerinnen», in der Euripides nicht die siegreichen Helden des Trojanischen Kriegs, sondern die Frauen der Besiegten sprechen lässt. Andererseits, aus der jüngeren Vergangenheit, «Reich des Todes», in dem Rainald...
Das Lied von der Wurst und ihren zwei Enden ist ein fürchterlicher Karnevalsgassenhauer. So laut, so dumm, so dre -ckig. Dass es auch anders geht, zeigt Christoph Marthaler am Theater Basel. Ganz klein, ganz fein, ganz einstimmig singen sie dieses «Alles hat ein Ende.» Pause. «Nur die Wurst hat zwei.» Pause. «Jawoll, mein Schatz.» Pause. «Es ist vorbei.» Und...