Erstklassiger Leerlauf
Vor ziemlich genau 100 Jahren kam es mit Franz Kafkas Erzählungen und Romanfragmenten zum ersten Mal in die Welt, das Bild des Menschen als einem von diffusen Mächten fremdbestimmten Wesen. Kafkas K.s, im «Prozess» wie im «Schloss», bewegen sich in einer Welt der Unübersehbarkeiten, die ihnen fremd ist und in der sie Fremde bleiben, gleichwohl unter ständiger Beobachtung.
Im Hamburger Schauspielhaus ist die Vermessung des Personals schon ins Programmheft zu Viktor Bodós Kafka-Dramatisierung gewandert: Die Angestellten des ominösen Unternehmens «Das Schloss» werden im Stil perfider Personalakten kategorisiert nach Hierarchiestufe, Potential, Pflichtmäßigkeit, Karrierehindernis und Lenkbarkeit. Hilfreich nicht nur für die dubiosen Mächte der Personalüberwachung, sondern auch für den Zuschauer, der sich in der virtuosen Verkleidungs- und Spielkunst der mehrfach eingesetzten Schauspieler auch verirren könnte.
Ein rastloser Parcours
Wie K., der Landvermesser, den es bei Kafka in ein abgelegenes Dorf am Fuße des Schlosses verschlagen hat, bei Bodó auf eine Baustelle kommt, an der behelmte Arbeiter ohrenbetäubend löten, schweißen, flexen, wenn sich der Vorhang hebt. Bühnenbildnerin ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Vier Jahre nach der großen Flüchtlingsankunft ein großes Flüchtlingsstück zu inszenieren, grenzt an Wagemut. Seitdem die europäische Abschottungspolitik effizient und erbarmungslos geworden ist, hören wir auf Bühnen kaum noch davon, auserzählt und abgestumpft wirken die theatralischen Empathie-Bekundungen von 2015. Wenn sich Altmeister Roberto Ciulli in «Boat...
Zum Schluss winkt Medea mit ihrer neuen Familie ins Publikum, nicht triumphierend, sondern – so scheint es zumindest – ganz einfach glücklich. Mit Aigeus, dem König von Athen, hat sie zwei Töchter, ungefähr so alt wie die beiden Söhne, die sie eine Szene vorher sanft und sachlich erstochen hat. Ihr ist gelungen, was auch ihr Ex Jason vorhatte, ein neues Leben...
Die Universität Gent hat im März Milo Rau, dem Leiter des NT Gent, die Ehrendoktorwürde verliehen. Universitätsrektor Rik Van de Walle erinnert sich bei dem Festakt noch genau, wie beeindruckt er im September 2018 war, als er Raus «Die Wiederholung» sah: «Ab diesem Moment war mir klar, dass wir Milo eines Tages ein Ehrendoktorat verleihen würden.» Die Universität...