Entkernte Heiligkeit

Hugo von Hofmannsthal «Der Turm» im Residenztheater München

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Wer die Macht hat, hat auch die Angst, sie wieder zu verlieren. Doch irgendwann kommt unweigerlich der Moment, wo sich das Problem der Nachfolge nicht länger verdrängen lässt. Angesichts sich auf Lebenszeit ins Amt zementierender Diktatoren einerseits und der händeringenden Suche nach überhaupt noch willigen, geschweige denn fähigen Kandidaten für aufreibende Führungsposten auf der anderen Seite erscheint die Frage des Machtübergangs höchst brisant.

Ob ausgerechnet Hugo von Hofmannsthal mit seinem spröden, zwischen 1923 und 1927 in drei Fassungen erschienenen und seither nur schwach rezipierten Spätwerk «Der Turm» hier Aufschluss bringen kann, erscheint fraglich – hadert doch der Verfechter einer «konservativen Revolution» mit dem als traumatisch erlebten Untergang der k.u.k.-Monarchie und sehnt mit seiner philosophischen Bearbeitung von Calderóns Versdrama «Das Leben ein Traum» so etwas wie einen autoritär organisierten Urzustand mit einem vom Schicksal bestimmten Heilsbringer herbei. 

Beunruhigt durch eine Prophezeiung, die den legitimen Thronfolger zum gewaltsamen Usurpator erklärt, hat König Basilius von Polen seinen Sohn Sigismund von Geburt an fern vom Hof in einem Turm in ...

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Theater heute 1 2023
Rubrik: Chronik, Seite 61
von Silvia Stammen

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