Doppelte Aufarbeitung

Hans-Werner Kroesinger/Regine Dura «Letzte Station Torgau. Eine kalte Umarmung» (U), Uwe Johnson «Jahrestage» im Schauspielhaus Leipzig

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Manchmal schlägt die Aktualität mit Verzögerung zu. Eine Woche nachdem Hans-Werner Kroesinger und Regine Dura ihr Dokumentarstück «Letzte Station Torgau. Eine kalte Umarmung» im Schauspiel Leipzig zum DDR-Jugendwerkhof Torgau präsentierten, veröffentlichte die Universität Leipzig die groß angelegte «Testimony»-Studie zu den Jugendwerkhöfen und Kinderheimen der DDR. Die zentralen Ergebnisse zur Spitze der repressiven Pyramide mit dem Ziel, «renitente» Jugendliche zu brechen und zu «sozialistischen Menschen» zu erziehen, sind in Theater und Wissenschaft dieselben.

 

Auf der kalten Bühne von Hugo Gretler in der Diskothek des Schauspiel Leipzig steht auf dunklen Plastikbohlen eine weiße Wippe und eine weiße Rückwand. Die Wippe wird bald zur Bank, keine Kinderspiele für die Torgauer Insassen, dafür gleißendes Licht von unten. Im Mittelpunkt stehen die Geschichten der Opfer. Paulina Bittner, Denis Grafe, Christoph Müller und Teresa Schergaut geben zusammen mit den beiden Schauspielstudierenden Ronja Rath und Leonard Wilhelm dem Alltag hinter den Mauern ein Gesicht. 

Die kalte Umarmung ist die eines Folterkellers, gepaart mit den Zumutungen eines unbarmherzigen Bootcamps. Die Schauspieler ...

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Theater heute Mai 2023
Rubrik: Chronik, Seite 76
von Torben Ibs

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