Die vorletzten Tage der Menschheit
Zum Glück geht Gott nicht ins Theater. Er wäre einigermaßen entsetzt, wie heruntergewirtschaftet seine Schöpfung ist. Er hatte zwar nur sieben Tage Zeit, die Welt zu erschaffen, trotzdem verdient er nicht, was ihm der Hamburger Dramatiker Wolfram Lotz da in seinen beiden Hörspielen «Das Ende von Iflingen» und «In Ewigkeit Ameisen» (beide 2007 verfasst), die nun im Wiener Akademietheater zu einem Abend zusammengefasst wurden, um die Ohren knallt. Nicht nur die Menschheit ist eitel und verkommen, auch seine Engel sind unfähig.
Gleich zu Beginn seilen sich der Erzengel Michael mit imposantem Schwert (Christiane von Poelnitz) und sein begriffsstutziger Hilfsarbeiter Ludwig (Katharina Lorenz), der bloß eine Posaune mitgebracht hat, vom Schnürboden ab. Ihr Auftrag ist klar: Es ist der Tag des jüngsten Gerichts, sie sollen in einem Kaff namens Iflingen die Menschen zu Asche schlachten. Aber die beiden haben die Rechnung ohne das Dorf gemacht. Welches Haus sie auch betreten, keiner sitzt, wie in Gottes Drehbuch vorgesehen, vor dem Fernseher. Alle sind verschwunden.
Aberwitz Apokalpyse
Gottes Planlosigkeit und des Menschen Anteil: Auch im zweiten, titelgebenden Text «In Ewigkeit ...
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Theater heute Mai 2019
Rubrik: Aufführungen, Seite 16
von Karin Cerny
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Friedrich Schiller hat sein eigenes Stück in der Luft zerrissen. In seiner Selbstrezension schon kurz nach der Uraufführung 1781 in Mannheim wird die dramatische Konstruktion mitleidlos zerrupft. Die Figuren seien nicht «nach der Natur» gezeichnet, sondern nach den Lektüren des Verfassers. Er habe die Menschen «überhüpft», monströs einseitige Charaktere entworfen...
