Die Scharteke lebt
Friedrich Schiller hat sein eigenes Stück in der Luft zerrissen. In seiner Selbstrezension schon kurz nach der Uraufführung 1781 in Mannheim wird die dramatische Konstruktion mitleidlos zerrupft. Die Figuren seien nicht «nach der Natur» gezeichnet, sondern nach den Lektüren des Verfassers. Er habe die Menschen «überhüpft», monströs einseitige Charaktere entworfen und sie vor allem mit Weltanschauungen überfrachtet.
Auch habe der Autor zu viel Klopstock gelesen, kurzum: grotesk übersteigertes Personal, ungenügende Motivierung, zu viel Philosophie – eine hoffnungslos überladene Scharteke aus der Erfahrungswelt des Bücherschranks.
Dem ist, wenn man sich ein Drama «nach der Natur» wünscht, wenig hinzuzufügen. Die konkurrierenden Brüder Karl und Franz als Bannerträger unterschiedlich heißgelaufenen Freiheitswahns, eingebettet in ein Familien- und Liebesdrama, ackern jeweils an mindestens drei Baustellen gleichzeitig. Auf der einen müssen sie zeigen, wie übersteigerte politische Freiheit schnell in Mord und Terror kippen kann (Karl) und aufklärerische Vernunft in Intrige und Selbstzerstörung (Franz). Dazu konkurrieren sie um eine zum «Engel» idealisierte Geliebte und um das gräfliche ...
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Theater heute Mai 2019
Rubrik: Aufführungen, Seite 20
von Franz Wille
Das Stück «Die Verlobung in St. Domingo - Ein Widerspruch» von Necati Öziri aus der aktuellen Ausgabe ist im Browser nicht darstellbar. Abonnenten, die das Stück digital lesen möchten, schicken bitte eine E-Mail an: kontakt@der-theaterverlag.de. Wir senden Ihnen das Stück dann als PDF-Dokument zu.
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