Die Kunst der Depression

Michel Houellebecq bietet Modernekritik für alle: «Ausweitung der Kampfzone», «Die Möglichkeit einer Insel» und «Serotonin» in Berlin und Hamburg

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In «Ausweitung der Kampfzone» von 1994 steckt schon der ganze spätere Houellebecq. Ein etwas antriebsschwacher Ich-Erzähler mit akademischem Hintergrund in einigermaßen gesicherten ökonomischen Verhältnissen verliert langsam die Sinnbezüge zu seinem Leben und trudelt zunehmend distanziert durch ein paar zufällig und ziellos erscheinende Alltagsstationen Richtung Abgrund. Währenddessen beschreibt er mit hellsichtigem Sarkasmus – der trockene Humor verlässt ihn nie – sich und und seine Umgebung.

Unterwegs stolpert er noch durch eine lockere Reihe improvisierter essayistischer Betrachtungen, wie unsere gegenwärtige Gesellschaft angeblich so funktioniert. Sie kommt dabei im Großen und Ganzen nicht besonders gut weg: solide Zivilisationskritik im jeweils aktuellsten Update. Eine für deutschsprachige Bühnen seit bald zwei Jahrzehnten unwiderstehliche Mischung. 

In Houellebecqs erstem Roman von 1994 steht ein 30-jähriger Agraringenieur und Informatiker – biografisch dem Autor nicht unähnlich – vor den üblichen Herausforderungen des Lebens. Er ist einigermaßen erfolgreich und gut bezahlt, arbeitet in einer Firma, die ihn nicht interessiert, und in einem eher langweiligen Job, der ihn ...

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Theater heute November 2019
Rubrik: Aufführungen, Seite 24
von Franz Wille

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