Zwischen Call-Center und Ochsenkarren

Das indische Theater spiegelt eine Gesellschaft der Gegensätze: ein Besuch beim nationalen Theater­festival in Delhi

Theater heute - Logo

Ein Karren zuckelt die Straße entlang. Die Hörner der vorgespannten weißen Ochsen sind rot bemalt, die hölzernen Reifen quietschen bei jeder Umdrehung, und obenauf sitzt ein magerer Bauer mit Turban. Dicht hinter ihm klebt ein schneller Neuwagen japanischen Fabrikats. Am Steuer eine wütende Frau im Abendkleid, die hupt und in ihr Handy schreit. Ihre Welt ist so schnell wie ihr Auto, nur steht manchmal eben ein Ochsenkarren im Weg. Indien prägt eine Mannigfaltigkeit an Lebensformen, wie sie im Westen kaum vorstellbar ist.

Auf der einen Seite moderne Großstädte voller IT-Unternehmen, Call-Center und Karrierefrauen. Keine fünfzig Kilo­meter weiter ein Dorf ohne Elektrizität und Wasserleitungen, in dem die weiblichen Neugeborenen nach der Geburt ertränkt werden, weil der Vater sich die Mitgift nicht leisten kann. Hier wird mit Vieh gepflügt und auf Feuer gekocht, dort servieren Diener Pizza und Pepsi, während man sich durch hundert Kabel­kanäle zappt. Zwischen Hightech und archaischer Dorfwelt leben viele in religiöser Askese oder bettelnder Armut; gleichzeitig wächst stetig eine neue Mittelschicht heran.
Diese Vielfalt der sozialen Gegensätze reflektieren auch die darstellenden ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute November 2006
Rubrik: Ausland Indien, Seite 38
von Sophia Stepf

Vergriffen
Weitere Beiträge
Das Chaos als angewandte Kunst

Eine halbe Stunde vor der Premiere von Maxim Gorkis Szenen aus der Tiefe, «Unten», trifft man Ernst Stötzner mit einem Blumenstrauß im Arm an der Drehtür des Hotels «Reichshof» gleich neben dem Hamburger Schau­spielhaus. «Ist was?», reagiert er fidel auf erstaun­te Blicke. Kurz vor Beginn des ebenfalls von Jürgen Gosch insze­nier­ten Düsseldorfer «Macbeth» zur...

Der Menschensammler

Das Theater», so lautet das Credo von Kurt Hübner auch heute noch, «sollte versuchen, zur Qualität zu ak­tivieren, Maßstäbe zu setzen, die Mit-telmäßigkeit bloßzustellen und die
Lächerlichkeit ausgeleierter Denkklischees zu zeigen. Es sollte gegen sich selbst noch kritischer sein als gegen andere.»
Rechtzeitig zum 90. Geburtstag des Schauspielers, Regisseurs und...

Einen hab ich noch

Wann ein Mann ein Mann ist, hat Herbert Grönemeyer aus Bochum schon vor einer Weile geklärt. Diese Männerdämmerung passierte im Zickenbeat und tat etwas weh, vor allem in den Ohren, aber das Leiden hat sich gelohnt: Wir dürfen jetzt weinen und rosa Hemden tragen. Es lag also doch auch ein Sieg in der Niederlage. Etwas länger beschäftigt man sich allerdings mit dem...