Wunden und Wunder

Das Residenztheater erinnert sich an seine NS-Vergangenheit, feiert Hans Christian Andersen und den Künstler als alten Mann: Noam Brusilovskys «Mitläufer», Philipp Stölzls «Andersens Erzählungen» und Thomas Bernhards «Minetti»

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Ein großes Haus wie das Münchner Residenztheater hat viele Haus-Aufgaben zu erfüllen. Die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, ist eine davon, die im Tagesgeschäft vielleicht nicht am dringlichsten erscheint, aber irgendwann doch einmal an -gegangen werden sollte. Nur braucht es dazu mitunter etwas Anschub von außen.

Den gab in diesem Fall der in Israel geborene und seit 2012 in Berlin lebende Regisseur und Hörspielautor Noam Brusilovsky (für «Adolf Eichmann: Ein Hörprozess» bekam er den Deutschen Hörspielpreis) Ende 2021 bei einer Podiumsdiskussion anlässlich der szenischen Lesung von Heinar Kipphardts Dokumentarstück «Bruder Eichmann», das 1983 am Residenztheater uraufgeführt wurde. «Überall, wo ich arbeite», erklärte er da, «ist für mich eine der ersten Fragen: Was ist die Geschichte dieses Raums?», und wunderte sich, dass sowohl auf der Homepage des Residenztheaters als auch in Wikipedia bis dato genau nichts (!) über die Leitung des Bayerischen Staatsschauspiels während der NS-Zeit zu finden ist. Wobei klar sein durfte, dass das größte Sprechtheater in Hitlers «Hauptstadt der Bewegung» wohl kein Hort des Widerstands gewesen sein konnte.

Obwohl er sich, wie er an gleicher ...

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Theater heute Januar 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 18
von Silvia Stammen

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