«Wir sind immer noch koloniale Imperialisten»

Mit der Kuratorin Frie Leysen leitet erstmals eine Belgierin das Festival «Theater der Welt». Ein Gespräch über das Programm, die Auflösung der Spartengrenzen und internationale zeitgenössische Kunst im Ruhrgebiet

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Eva Behrendt: Frau Leysen, wenn man sich das «Theater der Welt»-Programm anschaut, das Sie kuratiert haben, fällt auf, dass die üblichen Genre­bezeichnungen gar keine Rolle mehr spielen. Sie haben sogar neue erfunden, etwa ein «Mül­heimer Gesellschaftsspiel» oder «Dokufiktionspanel» oder «Endzeitszenario-Konzert» usw. Was für eine Idee steckt dahinter – wollten Sie Theater der Welt in eine Art documenta oder Biennale verwandeln?
 

Frie Leysen: Nein, Theater der Welt ist Theater der Welt.

Aber wenn man heute über zeitgenössische Künste spricht, dann gibt es keine Sparten mehr. Die jungen Künstler sind in verschiedenen Genres zuhause, das kann man an ihren Biografien ablesen. Der Ungar Kornél Mundruczó zum Beispiel ist als Filmemacher oft in Cannes eingeladen, aber er inszeniert auch Theater – und das ist für ihn absolut normal. Auch die Produktionen selbst sind oft Hybride, Guy Cassiers aus Antwerpen beispielsweise stellt das bewegte Bild auf die gleiche Ebene wie die Schauspieler und den Text. Des­wegen muss man eigentlich über Künste der Welt sprechen. Und ich würde sogar noch weiter gehen: Ich möchte bei Theater der Welt nicht nur eine Reihe schöner, interessanter Produktionen ...

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Theater heute April 2010
Rubrik: Akteure, Seite 46
von Eva Behrendt

Vergriffen
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