Verordnete Schönheit

nach Daniela Dröscher «Lügen über meine Mutter» (U) am Nationaltheater Mannheim

Theater heute - Logo

Die Verschränkung von Kapitalismus und Pa -triarchat wird nirgendwo brutaler verhandelt als an weiblich gelesenen Körpern. Wenn die Form dieser Körper nicht der Norm entspricht, fällt das Urteil umso härter aus. In Laura Linnenbaums Bühnenadaption von Daniela Dröschers «Lügen über meine Mutter» ist es der mehrgewichtige Körper der Mutter, der als Zielscheibe der Abstiegsängste und Minderwertigkeitskomplexe ihres Ehemanns herhalten muss.

Ihr Körper ist schuld, dass ihr Ehemann nicht befördert wird, ihr Körper steht einem unbeschwerten Besuch im Freibad oder einem Strandurlaub im Weg, ihr Körper ist der Grund für alles, was im Leben der Familie schiefläuft. Abwechselnd schlüpfen Maria Munkert, Antoinette Ullrich und Ragna Pitoll in die Rollen der kleinen Ela, in die der Mutter und die des Vaters. Es wird nah an Dröschers Roman erzählt, der 2022 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand. Im Zentrum der Erzählung steht die noch nicht zehn Jahre alte Ela, die im westdeutschen Hunsrück der 1980er Jahre aufwächst und versucht, ihren Platz in einem Konstrukt aus Lügen, Scham und Schuld zu finden, das um den Körper ihrer Mutter errichtet wurde.

Erst am Ende der Aufführung steigt ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute April 2024
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Yaël Koutouan

Weitere Beiträge
Das beispielhafte Leben des Samuel W.

Das vorliegende Theaterstück besteht aus über einhundert Gesprächen. Die meisten davon wurden real geführt zwischen Januar und September 2022, die anderen sind frei erfunden. Genau lässt sich das nicht mehr zuordnen, Schade.

Samuel W. wird während des gesamten Stücks nicht auf der Bühne zu sehen sein. Er sagt nichts, auch nicht aus dem Off. Ihn abzubilden oder in...

Verklumpte Zeit

Papa Maik ist zurück. Vor vier Jahren hat er zum ersten Mal im Nationaltheater Weimar Quartier bezogen mit «Ich liebe dir». Zur Fortsetzung erweiterte sich der Orginaltitel noch um ein kryptisches «Aber lass dich nicht über den Haufen schießen». Maik ist dabei erstmal so einiges: Ostdeutscher, Fussballfan, Vater, Kampfsportler, Lebenskünstler und politisch...

Auf der Suche nach dem Kern

Wie spielt man einen jungen Mann, der beschlossen hat, Céline Dion zu sein? Und zwar ohne einen Anflug von Overacting oder ironischer Distanz? Die französische Erfolgsdramatikerin Yasmina Reza wühlt in ihrer zugegebenermaßen nicht besonders tiefenscharfen Komödie «James Brown trug Lockenwickler» mit dieser Setzung im Klärschlamm ressentimentbeladener...