Traumaspiel und Machtkampf
Drei Mal steigt der junge Mann die Marmortreppe hinunter, jeder Schritt von Hall begleitet. Drei Mal steht er am Fuß der Treppe im runden Becken eines Brunnens. Drei Mal nähern sich ihm aus der Tiefe des Raumes, der das großbürgerliche Entrée einer Jugendstil-Villa vorstellt, zwei sich vollkommen synchron bewegende Männer. Drei Mal stürzt der junge Mann vor dem Brunnenbecken, doch jedes Mal passiert etwas geringfügig anderes: Die Männer schütten Pulver in sein Gesicht, sie heben ihn auf, bringen ihn weg, leicht zeitversetzt, am Ende nur pantomimisch.
Wie ein seltsames Ritual beginnt die Uraufführung von Sam Max’ Sex- und Traumathriller «Double Serpent». Das Staatstheater Wiesbaden, seit Spielzeitbeginn unter der neuen Leitung von Dorothea Hartmann (Oper) und Beate Heine (Schauspiel), hat dem/der 1995 geborenen US-Amerikaner:in den Stückauftrag erteilt. Seit einer Einladung zum Berliner Stückemarkt 2020 verfolgt Max sowohl eine amerikanische als auch deutsche Karriere; Wilke Weermann, der «Double Serpent» ins Deutsche übersetzt hat, führte auch schon bei der deutschen Erstaufführung von «Coop» («Zaun») in Bamberg Regie. Auf Sam Max’ Website ist zu lesen, dass deren Werk «sexuality, ...
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Theater heute Dezember 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 6
von Eva Behrendt
Eigentlich sollte man grundsätzlich jeden Abend ins Theater gehen – als Kritiker:in sowieso –, aber wenn dort um 20:30 Uhr der Blick ins Handy verspricht, dass der Finanzminister gerade gefeuert wurde und die Regierung am Ende ist, während aus der Ukraine nur schlechte Nachrichten kommen und der nächste amerikanische Präsident seit dem frühen Morgen Donald Trump...
Sie stakst als Schillers Elisabeth auf blauen Stilettos so sicher über die Bühne, als wären es Arbeitsstiefel – mit böse blitzenden Augen, immer bereit zur giftigen Attacke. Legt in «Ökozid» als Anwältin der Klägerstaaten eine solche Wutperformance hin, dass man ein bisschen Angst kriegt vor so viel freiradikal sich entfaltender Energie. Sie zeigt als Istanbuler...
216 Millionen Menschen werden durch den Klimawandel laut einer Weltbank-Statistik von 2021 zur Flucht gezwungen werden. Kaum ernsthaft vorstellbar ist es, sie durch Grenzkontrollen, Zäune, Mauern oder Frontex-Boote aufhalten zu können – so die Grundannahme von Volker Löschs und Lothar Kittsteins neuester Bonner Arbeit «216 Millionen», die vor dem politischen Getöse...