Der demütige Punk
Es geht um Wahrheit. Quote ist was für Loser», sagt Rainald Goetz in «wrong», genauer in einem Interview mit Christoph Amend aus dem «Zeit-Magazin», das in diesem Sammelband abgedruckt ist. Damit liegt er natürlich komplett falsch, und das wusste er auch, als er es 2010 sagte. Im digitalen Zustand des Kapitalismus fällt eine Bastion der Wahrheit nach der anderen den Click-Strategen in die Hände, denen die Wahrheit schnurz ist, wenn sie nicht für Empörung taugt.
Aber Rainald Goetz’ Credo-Sammlung der eigenen Anschauungen in «wrong» dient auch nicht dem Zweck, Blaupausen der Wirklichkeit, die durch exzessiven Medienkonsum entstanden sind, analytisch richtig einzuschätzen. Diese 370 Seiten Selbsterklärung in Vorträgen, Reden und Interviews sollen den Autor zeigen als Architekt der Widersprüche, der apodiktische Aussagen mischt mit viel Sowohlals-auch, Beichten der eigenen Schwäche mit literarischen Putschversuchen gegen die Dummheit der Epoche, Rebellisches mit hoher Moral.
70 Jahre wurde Rainald Goetz Ende Mai, dieser sich stets schwer aus dem Altern windende Generationsautor von junggebliebenen Popkulturellen, die heute ungefähr so viel Leben vor der Wende verbracht haben wie ...
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Theater heute Dezember 2024
Rubrik: Bücher, Seite 35
von Till Briegleb
216 Millionen Menschen werden durch den Klimawandel laut einer Weltbank-Statistik von 2021 zur Flucht gezwungen werden. Kaum ernsthaft vorstellbar ist es, sie durch Grenzkontrollen, Zäune, Mauern oder Frontex-Boote aufhalten zu können – so die Grundannahme von Volker Löschs und Lothar Kittsteins neuester Bonner Arbeit «216 Millionen», die vor dem politischen Getöse...
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Zum Auftakt drei irritierende Erlebnisse: Nach einer Inszenierung der «Perser» in Epidauros 2020 fiel – erstens – der Regisseur Dimitris Lignadis im Applaus vor der in vorderer Reihe sitzenden Kulturministerin auf die Knie und küsste ein Miniatur-Modell des Parthenon. Die Inszenierung war in der Deutung des Textes so nationalistisch, dass sie Aischylos’Mah -nung...