Sex und Ehre

nach Gotthold Ephraim Lessing «Emilia Galotti», Lola Arias «Happy Nights» im Theater Bremen

Theater heute - Logo

Sage niemand, dass Regisseurin Rahel Hofbauer die Zuschauer:innen im Regen stehenlassen würde. Guido Gallmann schlendert auf die Bühne, guckt erstmal, dann spricht er ins Publikum: ein bisschen Figurencharakterisierung, ein bisschen Backstory, ein bisschen Aufführungsgeschichte, ein bisschen Quelleninfo. Auf dass alle verstehen, um was es in «Emilia Galotti» geht. Was nötig sein könnte: Das Stück ist in Bremen zwar Abiturstoff, die Regisseurin aber lässt nur noch Bruchstücke von Lessings Vorlage übrig, vor allem kürzt sie eine zentrale Figur. Emilia nämlich tritt nicht auf.

Dass die Hauptfigur zur reinen Projektionsfläche wird, ist eine interessante Setzung, die zudem das Problem umgeht, das das Stück heute schwer zugänglich macht: Lessing beschreibt in Emilias Schicksal einen tragischen Ehrenmord, bei dem die Ermordete das Geschehen selbst gutheißt. Bei Hofbauer aber bleibt Emilia abwesend und passiv, jemand, der in eine Geschichte hineingeschmissen wurde und keine Chance hat, selbstbestimmt zu agieren. Ein bisschen schade ist, dass sich dieser Idee praktisch alles unterzuordnen hat – das hochtalentierte Ensemble mit Nadine Geyersbach, Jan Grosfeld, Levin Hofmann und Jorid ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute November 2023
Rubrik: Chronik, Seite 55
von Falk Schreiber

Weitere Beiträge
Im Grenzregime

Mit gleich zwei mehrsprachigen Produktionen startet das Schauspiel Köln in die letzte Spielzeit unter Stefan Bachmann auf dem Carlswerk-Gelände in Köln-Mülheim. Dabei vermittelt besonders das unvertraute Farsi in Mina Salehpours deutscher Erstaufführung von «Yazdgerds Tod» die aktuelle Situation der Frauen im Iran auf eine nahezu körperliche Weise. Im Zentrum von...

Wo Theater stattfindet

Als am 5. Oktober Narges Mohammadi Friedensnobelpreisträgerin wurde, leuchtete die Hoffnung. Der Ruf «Jin Jiyan Azadi – Frau Leben Freiheit» war wieder in den Medien, und Menschen auf der ganzen Welt haben sich an ihn erinnert. Die Jina-Revolution war aber die ganze Zeit über nie verschwunden, nur die Bühne der Revolution und ihre Dramaturgie hatten sich geändert.

...

Vogel, Katze, Frau

Das Meer. Über dem Meer die Sonne. Felsen. Ein Strand.» Allein mit Worten, Pausen, Verb-losen Sätzen katapultiert der ältere Herr, der in Jeans und Weste vor den eisernen Vorhang getreten ist, das Publikum ans Mittelmeer. «Eine Straße. Eine Stromleitung. Ein nie fertig gebautes Haus.» Ganz selbstverständlich erzählt Michael Wittenborn weiter, wie eine Gruppe junger...