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Enis Maci, Mazlum Nergiz «Karl May» (U) an der Volksbühne Berlin

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Der Titel ist eine Ansage: «Karl May», Weltbestseller-Autor aus ärmlichsten Verhältnissen, dessen Männer-Helden um Old Shatterhand, Winnetou, Kara Ben Nemsi et al. nicht nur in postkolonialen Seminarräumen bei bloßer Erwähnung die Neonröhren zum Flackern bringen. Fröhlicher Kolonialismus, kulturelle Aneignung, toxische Männlichkeit, you name it. Es braucht heute keine Silberbüchse mehr, um den sächsischen Geschichtenerzähler zur Strecke zu bringen.

Enis Maci und Mazlum Nergiz wissen das längst und nicken in ihrem Stück die allfälligen Anwürfe, wenn überhaupt, eher nebenbei pflichtschuldig ab. Ihr Text interessiert sich an mehreren lose verknüpften Beispielen mehr für das Phänomen an sich: Wie man als gesellschaftlicher Underdog seine unerreichbaren Träume erfolgreich in Legenden verwandelt, die ihre eigene Wahrheit entwerfen. Und wie – das wäre schon die gewagtere These – sich in diesem Trivialgeschichtenmüll Ereignisse verstecken, die in zukünftige Katastrophen münden. Etwas angestrengt hochtrabend mit den Worten, die in der Uraufführung (Regie Maci/Nergiz) Martin Wuttke vertritt: «Wir bewegen uns auf den Ruinen der Vergangenheit oder in der Kulisse eines in Zukunft noch zu ...

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Theater heute Februar 2024
Rubrik: Chronik, Seite 55
von Franz Wille

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