Marianne gegen alle
Auf der Bühne vor einem projizierten Totenkopf liegen Leichensäcke neben einem frischen Kindergrab. Zwei schwarz verhüllte Gestalten machen sich an den weißen Plastikhüllen zu schaffen und murmeln: «Die Leute glauben, wenn sie sterben, wäre alles vorbei – so wär’s ja leicht, ein Mensch zu sein.» Nein, nichts ist vorbei in Karin Henkels Bochumer Inszenierung von Horváths «Geschichten aus dem Wiener Wald». Alles ist von heute. Die Toten stehen wieder auf und zeigen uns: Es ist nicht leicht, ein Mensch zu sein.
Der erste Mensch, der ausgepackt wird, ist Marianne, eine puppenhaft geschminkte Frau im steifen rosa Tütü. Die Leichenwärter hängen sie an einen Haken, dann wird sie in der Bühnenmitte in ein schwarzes Loch versenkt. So häuft die Inszenierung schon zu Beginn Todesmetapher auf Todesmetapher. Die negative Energie wird aufgeladen, die das ganze Stück in Bewegung setzen wird.
Diese Marianne ist die einzige positive Gegenkraft. Sie befreit sich aus ihrem Puppendasein als Tochter des Spielwarenhändlers, die den Fleischer von nebenan heiraten soll, und wirft sich dem windigen Rennbahnspekulanten Alfred an den Hals. Man denkt diesmal nicht, «Wie dumm ist sie!», sondern «Recht hat ...
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Theater heute Dezember 2019
Rubrik: Aufführungen, Seite
19
von Gerhard Preußer