Mannschaftsdienlicher Individualismus

Lars-Ole Walburg wünscht sich Menschen mit Charakter für eine starke Gemeinschaft

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Gestern war Verabschiedung. Sandro Tajouri und Sebastian Schindegger verlassen zum Ende der Spielzeit das Ensemble, beide aus persönlichen Gründen und schweren Herzens. Da standen dann nach der gestrigen Vorstellung vierzig, fünfzig Menschen auf dem Theaterhof und begrüßten die beiden johlend und mit Wunderkerzen in der Hand. Sascha von der Beleuchtung hatte einen Scheinwerfer nach draußen geschleppt und ihn auf die Hauswand gerichtet, und nachdem Jonas Steglich einen gewaltigen Glitzerregen gezündet hatte, ging das Licht an und Sarah Franke entrollte zwei Transparente von der Dachkante.

Auf dem einen stand «Gute Reise!», auf dem anderen «Wir werden euch vermissen!» Dann wurde gefeiert.

Ob es das ideale Ensemble gibt, weiß ich nicht. Ein Ensemble ist ja nichts Starres, kein festes Gebilde, sondern ein Körper, der sich immer wieder neu strukturieren und erfinden muss. Dabei spielen die Abgänge genauso eine Rolle wie die Dazustoßenden oder die Form- und Leistungsschwankungen, denen ein Spieler unterworfen ist. Manchmal ist jemand «angesagt» und steht auf jeder Besetzungswunschliste, während ein ande­rer eher in eine Produktion hineingeredet werden muss. Hochkomplizierte ...

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Theater heute Jahrbuch 2015
Rubrik: Der Ensemble-Konsens, Seite 81
von Lars-Ole Walburg

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