Logos und Sprache
Zum Auftakt drei irritierende Erlebnisse: Nach einer Inszenierung der «Perser» in Epidauros 2020 fiel – erstens – der Regisseur Dimitris Lignadis im Applaus vor der in vorderer Reihe sitzenden Kulturministerin auf die Knie und küsste ein Miniatur-Modell des Parthenon. Die Inszenierung war in der Deutung des Textes so nationalistisch, dass sie Aischylos’Mah -nung vor der Herrscher-Hybris umdrehte, was das Publikum in der Mehrheit als Gottesdienst an der Nation zu goutieren schien.
Zweitens inszenierte im Sommer 2023 Lena Kitsopoulou Aristophanes’ «Wespen».
Lena Kitsopoulou ist eine junge, bildmächtige und lustige Regisseurin, die gerne den Finger in die Wunde legt. In ihrer «Wespen»-Bearbeitung polemisierten die Performer:innen satirisch gegen Korruption und Verantwortungslosigkeit in Politik und Justiz. Das geriet manchmal etwas platt; es gelangen aber starke, irritierende und berührende Bilder. Der darauf folgende Wutausbruch war unvergleichlich. Eine Schande, Verbieten, Absetzung der Intendanten! Die Erhitzung kühlte auch nach der Premiere nicht ab. In sozialen Medien und der Presse wurde noch fast ein Jahr lang gestritten. Der Theaterwissenschaftler Savvas Patsilidis drückte ...
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Theater heute Dezember 2024
Rubrik: International, Seite 46
von Stefanie Carp
Auf unserer Premierenparty von «Ödipus in der Giftfabrik. Eine kurze Geschichte des Artensterbens» in Magdeburg liefen wir wieder einem Apostel der FROHEN BOTSCHAFT in die Arme. Diesmal 1 Festivalkurator, der eine neue Arbeit von uns produzieren wollte: «Aber bitte, bitte diesmal was Positives!» Unsere Arbeit hatte ihm sehr gefallen, nur fand er sie zu negativ, zu...
«Der Reisende» zu lesen, fühlt sich an, wie langsam in einen Abgrund gezogen zu werden – vorbei an fröhlich winkenden Menschen. Ulrich Alexander Boschwitz, 23 Jahre alt und selbst im Herbst 1938 schon im Exil irgendwo zwischen Luxemburg und Belgien, hat den Roman in nur wenigen Wochen geschrieben. Er ist eine Reaktion auf die Novemberpogrome.
Die erzwungene Reise...
In einer rabenschwarzen Nacht hämmert eine hochschwangere Frau an die Türen einer Klinik, die direkt aus der mörderischen US-Thriller-Serie «Ratched» stammen könnte: Wer hier landet, der ist in schlechten Händen. Man sucht Hilfe und findet bloß Sadismus. Sibylle Bergs Roman «Toto oder Vielen Dank für das Leben» (2012) berichtet maximal zynisch von der...