«Lasst uns doch alle gemeinsam den Rechtsweg gehen!»

Eigentlich wollte unsere Autorin nur ein paar Wendedokumente in ehemals Ostberliner Theatern sichten. Doch dann hat sie sich höchst produktiv in den Archiven verirrt … ein Fundstückreport

Theater heute - Logo

Die erste Entdeckung im Archiv des Berliner Maxim Gorki Theaters ist ein massiver Stapel Schwarzweißfotos. Darauf: Jeweils zehn Schauspieler, die vom ersten bis zum letzten Bild ohne nennenswerte Positionsveränderung deklamierend an der Rampe stehen; die Männer in Anzügen, die Frauen in Sixties-affinen, aber gern auf staatstragend gerüschten Minikleidern. Der Abend stammt, wie einem dazwischen gerutschten Programmzettel zu entnehmen ist, aus dem Jahr 1969 und heißt: «Denn es ist mein Land – Programm zum 20. Jahrestag der DDR».

Auf dem schärfsten Foto stechen Jenny Gröllmann im osttypischen Dederon-Rolli und Hermann Beyer in einer Art Blousonanzug hervor, der aussieht, als hätte ein Designer den Politbüro-Slogan von der «unverbrüchlichen Kampfgenossenschaft der revolutionären Arbeiterklasse mit den führenden Kräften der Intelligenz» eins zu eins in ein Kleidungsstück übersetzt. Beyers despektierlich geschlossenen Augen und Gröllmanns leidenschaftsfreiem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, könnte gerade das Auftaktgedicht «Mein Land» an der Reihe sein, dessen Autor Günther Deicke sich vom feierlichen Anlass zu einer gewagten literarischen Figur hinreißen ließ: Er imaginiert die DDR ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Jahrbuch 2009
Rubrik: 1989 – Glückliche Tage, Seite 36
von Christine Wahl

Vergriffen
Weitere Beiträge
System statt Vertrauen

Vertrauensverlust und Erschöpfung scheinen in einem gegenwärtig leicht nachvollziehbaren Zusammenhang zu stehen. Die wichtigste Voraussetzung für einen Burn-out sind mangelhafte menschliche Bindungen. Offensichtlich scheint sich der seelische Akku nur im spielerischen, angstfreien Miteinander einander nahestehender Menschen wieder aufzuladen.

 

Dieser psychischen...

Kugelschreiber und Sinnlos

Versuch über einen Zustand für drei Spielerinnen und zwei Spieler», so lautet der Untertitel des diesjährigen Gewinnerstücks des Retzhofer Literaturpreises, das in der nächsten Spielzeit am Schauspiel Chemnitz uraufgeführt wird. Die Versuchsanordnung: eine baufällige Showtreppe inmitten einer wild verwahrlosten Wiese, einer Industriebrache, eine «blühende...

Die gekauften Deutschen

Seit über einem Jahr sprechen wir jetzt über die Krise. «Spürst Du die Krise schon?» Oder: «Spürst Du die Krise noch?» Die Autorin und Regisseurin Gianina Cãrbunariu, die 1977 im rumänischen Piatra Neamt geboren wurde und heute in Bukarest lebt, hat auf diese Fragen vor kurzem mit einem klaren «Ja!» geantwortet. Ihre Stelle als Dozentin für Szenisches Schreiben an...